Ich find's aber im schriftstellerischen sehr schwer, erst mal über einen geraumen Zeitraum einen Prota aufzubauen und wachsen zu lassen. Das kostet Zeit, Nerven und viel Energie.
Den dann auch noch zu killen, kann eigentlich nur Sinn machen, wenn ich daneben einen zweiten Prota habe, der im Schatten immer schon vorhanden war, aber bisher noch nicht in's Licht getreten ist.
Das ist halt eine grundsätzliche Frage, die die Art der Geschichte bzw. die Erzählweise betrifft. Wenn sich die Geschichte vor allem um einen Charakter dreht, dessen Denken und Fühlen gezeigt wird, und dessen Handlungen die Geschichte vorantreiben und interessant machen, während alle anderen Charaktere eher Statisten sind, bei denen man das Gefühl haben könnte, dass sie wie ein Roboter einfach stehen bleiben, sobald sie aus dem Fokus geraten (ich übertreibe bewusst; das zieht natürlich ganz andere Probleme nach sich), dann wird es schwieriger, den Wechsel von einem Charakter auf einen anderen zu vollziehen. Vermutlich würde man dann also eine ganze Reihe an Lesern verlieren.
Wenn es jetzt aber eher so ist, dass es eine ganze Menge an Erzählcharakteren gibt, aus deren Perspektive die "eine große Geschichte" erzählt wird und wenn diese Geschichte eben nicht die Geschichte eines Protagonisten ist, dann dürfte das leichter funktionieren. So ist es in ASoIaF. Es ist eben nicht die Geschichte von John Snow und wie er den Iron Throne gewinnt. Und es ist auch nicht die Geschichte von Ned Stark, wie er versucht, seinen Jugendfreund & König vor dem Untergang zu bewahren. Es ist viel vielschichtiger, komplexer, verworrener etc. Da wirkt es mMn natürlicher, dass in dem tödlichen "Spiel um den Eisernen Thron" immer wieder mal Charaktere ihr Leben verlieren.
Aber erst mal in einer Erzählung einen Hauptcharakter aufbauen, um ihn dann mittendrin dem Hades zu überantworten?
Würde für mich höchsten dann (im Bereich der Fantasy) Sinn machen, wenn jener Protagonist den Staffelstab (Schwert, Lanze, Gral, Kelch etc. pp.) weitergeben muß, weil er selbst das angestrebte Ziel nicht erreichen kann.
Und selbst dann würde sich das Ganze eher am Ende der Erzählung befinden statt am Anfang oder mittendrin.
Ganz genau! Die Frage nach dem Warum muss schlüssig beantwortet werden. Mir kam letztens wieder in den Sinn, dass eines meiner absoluten Lieblingsbücher damit anfängt, dass einer der Protagonisten im allerersten Kapitel erstens überhaupt nicht heldenhaft rüberkommt und zweitens das Kapitel so endet, dass man denken könnte, der Charakter wäre gestorben. Ich hab das Buch zweimal abgebrochen und musste mich wirklich dazu zwingen, das zu lesen (ich musste es für ein Seminar an der Uni lesen, also gab es keine Wahl ). Dadurch hat sich aber auch mein Geschmack und meine Toleranz gegenüber solchen Geschichten mit ungewöhnlichen Settings, Charakteren, Erzählweisen etc durchaus erweitert.
Und Romeo und Julia sterben doch auch zum Schluss (Hamlet sogar auch, wenn mich nicht alles täuscht - hab das Ding leider nie zuende gelesen ) und trotzdem wird Shakespeare als einer der größten Literaten aller Zeiten gefeiert. Kann also sein, dass es einfach unsere Konditionierung ist, die unsere Erwartungen und Vorstellungen prädisponiert. Umso interessanter, wenn mal etwas nicht so läuft wie sonst immer.
Shakespeare unterscheidet sich von typischer Fantasy dann doch gewaltig. Es sind halt hauptsächlich Dramen, die er geschrieben hat. Die tragen häufig ja schon im Kern in sich, dass sie eine tragische Geschichte erzählen, die Mitgefühl beim Zuschauer erzeugen soll. Die nach meinen verständnis typische Fantasygeschichte hört fast immer mit einem Happy End auf. Plakativ gesagt überwindet der Held alle Widrigkeiten, besiegt den Antagonisten und gewinnt etwas als Belohnung. Das Gefühl, das man da als Leser mitnehmen soll, ist neben der temporären Flucht aus dem Alltag jenes, dass die Welt doch eigentlich in Ordnung ist. Man ist mit dem Ausgang der Geschichte glücklich und zufrieden. Man ist beruhigt, dass die Guten gewinnen und die Bösen bestraft werden. Das passt so vom Grundkonzept nicht wirklich dazu, dass der Held stirbt.
Dass es auch solche Geschichten gibt, heißt natürlich nicht, dass es nur solche Geschichten geben sollte. Wie gesagt, wenn die Geschichte so angelegt wird, dass der Tod eines Charakters sich gut einfügt oder tatsächlich sinnvoll für die Entwicklung oder Lösung eines Konflikts ist, dann spricht nicht so viel dagegen.