Hallo, ihr alle
Ich hab mal was Kurzes für euch, so für zwischendurch. Und sorry, ich kann euch diesmal nicht Viel Spaß! wünschen.
Das Rasseln
Rasseln.
Ich kenne das Geräusch. Als ich es zum ersten Male vernommen habe, hat es mir Angst gemacht. Nie zuvor hatte ich so etwas gehört und wusste daher nicht, woher es rührte.
Jetzt weiß ich es, doch das macht es nicht besser: Es ist mein Atem, der rasselt.
Sofort schlägt mein Herz schneller. Dumpf wummert es gegen die Rippen. Ich kämpfe darum, gelassen zu bleiben, und verliere den Kampf schon nach Sekunden. Wie immer.
Das Geräusch wird mit jedem Luftholen stärker. Ich versuche, durch die Nase zu atmen, doch das ändert nichts. Unruhe erfasst mich.
Sie werden es hören. Es ist jedes Mal so. Wenn das Rasseln zu laut wird, kommen sie. Und das muss ich vermeiden. Ruhe, ermahnt mich eine Stimme tief in mir drin, atme ruhig.
Doch es ist wie verhext. Mein Herz überschlägt sich fast bei dem Gedanken, dass sie auf mich aufmerksam werden. Und dann ...
Schritte auf dem Gang. Gummisohlen.
Ich reiße die Augen auf. Erkennen kann ich nichts, es ist fast vollkommen dunkel im Zimmer. Eine winzige Lichtquelle irgendwo rechts von mir wirft undeutliche Schatten an die Wände. Ich möchte den Kopf heben, mich umsehen.
Aber es geht nicht. Völlig bewegungslos liegt mein Körper.
Dass ich liege, habe ich erst nach einer gefühlten Ewigkeit erkannt. Bis dahin ist es mir nicht möglich gewesen, einzuschätzen, in welcher Position ich mich befinde. Orientierungslos in Bezug auf Raum, Zeit und Ort bin ich dahingetrieben.
Murmelnde Stimmen auf dem Korridor. Eine tiefere und eine hellere. Dann ein Reißen, Rascheln. Alles wie immer. Ich liege stocksteif und versuche krampfhaft, ohne das Rasseln Luft zu holen.
Licht fällt ins Zimmer, die Schritte kommen herein, begleitet von diesem schmatzenden Geräusch, das ich bisher nicht habe einordnen können.
Grell flammt die Deckenbeleuchtung auf, entreißt alles in meinem Sichtfeld der Schwärze. Es ist nicht viel, was ich sehen kann, denn ich trage meine Brille nicht. Keine Ahnung, wo sie ist.
Weiß über mir, vermutlich die Decke des Raumes. Neben meinem Lager, so weit mein Blickfeld erkennen lässt, ist ein metallisches Gestänge.
Und Grün. Die Gestalt, die sich nähert, ist ein dunkles Grün gehüllt. Trotz meines bewegungsunfähigen Kopfes sehe ich sie kommen. Oder ihn? Ich weiß niemals, wer da kommt, denn die Gesichter sind hinter den hellgrünen Masken nicht erkennbar. Sie sehen alle gleich aus.
Wo bin ich hier?, möchte ich schreien, doch es kommt kein Laut aus meiner Kehle. Wie bin ich hierhergekommen? Wo ist meine Frau? Warum spricht keiner mit mir?!
Mein Mund bewegt sich nicht, ebenso wenig Lippen und Zunge. Doch ich spüre, dass sie unversehrt sind, und ich habe keine Schmerzen. Warum also funktioniert es nicht?
Ein neues reißendes Geräusch, direkt neben meinem rechten Ohr, holt mich aus den Gedanken.
Gleich fängt es an. Gleich.
Sieht die grüne Gestalt nicht die Panik in meinem Blick? Erkennt sie nicht die Angst darin?
Eine blau behandschuhte Hand nähert sich meinem Hals. Ich spüre ein leichtes Rucken, das mich krächzend husten lässt. Das Rasseln meines Atems ist danach noch lauter zu hören.
Kurz erhasche ich unmittelbar vor meinem Gesicht einen Blick auf den dünnen, durchsichtigen Schlauch in der blauen Hand, dann beginnt nach einem scharfen Klacken das bekannte Zischen.
Ich will Hand und Schlauch wegschlagen, spanne die Muskeln an, verkrampfe mich regelrecht, doch umsonst. Ich liege wie ein Stein.
Nichts, gar nichts lässt sich mit dem vergleichen, was jetzt kommt. Quälendes Würgen. Meine Augen tränen davon. Es sind Tränen der Verzweiflung dabei. Ich huste mir die Seele aus dem Leib und kämpfe gleichzeitig gegen übermächtigen Brechreiz. Es dauert endlos an. Einatmen ist unmöglich, weil der Husten es verhindert, und eine Ewigkeit lang glaube ich zu ersticken und mich dabei übergeben zu müssen.
Würgegeräusche, die aus meinem Hals kommen, Zischen, das von einem ekelerregenden Schlürfen begleitet wird, Angst und Husten, die mir die Luft nehmen. Und das gleichgültige Schweigen und Hantieren der grünen Gestalt.
Irgendwann sehe ich den Schlauch wieder, das Schlürfen hört auf und nach einem weiteren harten Klack-Geräusch erstirbt auch das Zischen. Die blau behandschuhte Hand drückt auf meine Kehle, neuer Hustenreiz lässt erneut mir Tränen in die Augen schießen. Ich will schreien, doch ich bin stumm.
Also weine ich.
Warum tut man mir das an? Warum kann ich mich nicht bewegen? Nicht sprechen, nicht schreien?
Warum bin ich hier?
Die Fragen sind immer dieselben. Ich werde keine Antwort erhalten. Längst ist die in grün gehüllte Gestalt mit den blauen Handschuh-Händen und der Maske vor dem Gesicht gegangen. Sie hat das Licht gelöscht.
Bewegungsunfähig liege ich im Dunkel, versuche mein hämmerndes Herz zu beruhigen und den Hustenreiz zu unterdrücken.
Ich weiß, ich sollte schlafen. Doch die Angst vor einer neuen Tortur dieser Art hindert mich. Angespannt lausche ich. Höre ich da nicht ein leises Rasseln in meiner Brust?
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„Also echt mal“, knurrt meine Kollegin, während sie Nitril-Handschuhe und Einwegkittel abstreift, zusammenknüllt und in den Abwurf stopft. „Dass der sich jedes Mal so anstellen muss, wenn er abgesaugt wird. Wir machen das ja nicht aus Spaß oder um ihn zu ärgern. Hätte er vor seinem Unfall nicht gequarzt wie ein Schlot, würde es auch nicht so oft nötig sein. Selber schuld.“ Sie zieht den Mundschutz unter das Kinn, gähnt und schaut zur Uhr, deren Zeiger sich gerade ganz oben auf dem Zifferblatt getroffen haben. „Das nächste Mal gehst du rein”, verkündet sie mürrisch. „Der guckt mich jedes Mal an, als wolle ich ihn umbringen.“
Kopfschüttelnd marschiert sie ins Dienstzimmer und gleich darauf höre ich den Kaffeeautomaten fauchen.
ENDE