Es gibt 563 Antworten in diesem Thema, welches 47.488 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (27. März 2024 um 09:51) ist von Thorsten.

  • Tariq Nach dem Film-fertigstellen Stress der letzten Wochen komme ich jetzt allmaehlich wieder zu Textarbeit - sorry for the delay...

    Zu 10.1:

    Wie Du in Deiner Anmerkung schreibst - das ist noch nicht ganz rund.

    Einmal ist da der Elefant im Raum (der Onta ist totgepruegelt worden) und das Mammut (der Kyrios manipuliert die Chips). Etienne weiss von der Pruegelei, Ares von den Chips, der jeweils andere nicht.

    (Ein kleines Plot-Problem ist dass Etienne irgendwie als der mit dem Gerechtigkeitssinn der an Moral und Ehre glaubt geschildert wird - trotzdem aber den Tod des Ontas verschweigen will weil er Ares' empoerte Reaktion fuerchtet - warum eigentlich? Sollte nicht Etienne der sein der an die Oeffentlichkeit will und Bestrafung fordert?)

    Dass jeder der beiden Geheimnisse hat sollte das Gespraech... von Anfang an unangenehm machen - man macht Smalltalk, ist aber nicht bei der Sache. Pausen ergeben sich die man meint ueberbruecken zu muessen.

    Etienne sollte viel darueber nachgruebeln wie viel er Ares jetzt erzaehlen will, und Ares will die ganze Zeit eigentlich zu seinem Thema kommen, weiss aber nicht wie - er muesste zeitweise abwesend wirken waehrend ueber den Onta gesprochen wird weil er ja ueberlegt wie er die Sache mit den Chips zur Sprache bringt.


    Und hier schummelst Du einfach:

    Dann kam der heikle Teil und er sah, wie sein Freund ungläubig lauschte, als er die manipulierten Chips beschrieb. Abscheu malte sich in dessen Miene und auch Wut, dieselben Gefühle, die ihn selbst jetzt wieder überwältigten. In der Wohneinheit seines Vaters hatten Unglauben, Entsetzen und grenzenlose Verachtung all das, was er dem Vater an den Kopf werfen wollte, in seinem eigenen Kopf festgehalten. Und dort steckte es bis heute.

    Das ist die kritische Szene der ganzen Sache - Ares hat sich entschieden einen Freund einzuweihen der so ist:

    Er wusste, dass Etienne fest an Moral und Ehre glaubte und dass das Verhalten des Kyrios ihn entsetzen würde.

    Das ist ein enormes Risiko fuer ihn, der Kyrios macht ja echt was, was als Hochverrat gewertet werden koennte, was den Skandal des Jahrhunderts lostreten wuerde.

    Was, wenn Etienne an die Oeffentlichkeit geht?

    Sollte er ihm nicht zumindest vorher ein Schweigeversprechen abnehmen, oder so? Sollten wir Ares nicht sehen wie er herumdruckst, andeutet und dann damit rauskommt?

    Die knappe Zusammenfassung die Du uns hier lieferst nimmt die ganze Dramatik der Szene raus, wischt ueber die Psychologie der Figuren hinweg - da ist viel Drama drin das meiner Meinung nach hier einfach verschenkt wird.

    Ich wuerde eher den ganzen Smalltalk in Zusammenfassung erzaehlen und einsteigen wo's zur Sache geht statt so rum...

    (Die Szene ist natuerlich sehr kompliziert dadurch dass hier zwei Dinge im Raum stehen die schockierend sind, so dass die Erwartungen der Protagonisten an den jeweils anderen die ganze Dynamik anders machen als wenn nur einer ein Geheimnis zu erzaehlen haette - evtl. koenntest Du das entzerren und Ares zu diesem Zeitpunkt noch mit sich ringen lassen ob er ueberhaupt was erzaehlen will, so dass Etienne die Buehne in der Szene hat und Ares dann spaeter...)

  • Willkommen zurück, Thorsten :)

    Spoiler anzeigen

    sorry for the delay

    Überhaupt kein Problem, ich wusste ja, dass du bis über beide Ohren im Filmprojekt stecktest.

    Ich glaube wirklich, du hast herausgefunden, was mich am Kapitel 10 immer noch gestört hat: Dieses bereitwillige Erzählen von zwei brisanten Geheimnissen ist irgendwie nicht ... glaubhaft. :/

    Plot-Problem ist dass Etienne irgendwie als der mit dem Gerechtigkeitssinn der an Moral und Ehre glaubt geschildert wird - trotzdem aber den Tod des Ontas verschweigen will weil er Ares' empoerte Reaktion fuerchtet - warum eigentlich?

    Der Grund, dass Etienne Ares nichts erzählen wollte, war seine Befürchtung, dass Ares (den ich als den impulsiveren und vielleicht auch jähzornigeren von beiden darstellen wollte) unüberlegt reagiert und damit sich und auch Etienne in Gefahr bringt. Ich habe es mit dem Satz "Halt mich aus der Sache raus" ausdrücken wollen, dass Etienne Dwaynes Rache fürchtet. Außerdem weiß keiner, wie viele Gardisten außer Bine und Merrik Dwayne noch so skrupellos folgen. Etienne kann faktisch der Garde nicht mehr trauen und will deshalb nicht, dass Ares in ein Wespennest sticht. So war es in meiner Vorstellung und so konnte ich es auch vor mir vertreten. :)

    Dass Etienne deswegen in einem echten Dilemma sitzt, kann ich aber noch besser herausarbeiten, da hast du Recht. Ich will keinen Duckmäuser aus ihm machen, der alles schluckt, was er sieht und hört. Ich wollte ihn lediglich besonnen und vorsichtig darstellen als einen, der hier die Gefahr erkennt, die droht, wenn Ares sich Coholt vorknöpft oder ihn verpetzt.

    Sollte nicht Etienne der sein der an die Oeffentlichkeit will und Bestrafung fordert?

    Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Liegt wahrscheinlich daran, weil das nicht so mit dem Etienne zusammenpasst, wie ich ihn mir vorstelle. Eine Möglichkeit wäre, dass er als Whistleblower agiert und Dwayne öffentlich (oder bei dessen Vorgesetzten) beschuldigt, ohne seine eigene Identität zu offenbaren. Aber wenn ich von mir ausgehe - ich hätte nicht den Mumm dazu. Da wäre meine Angst vor Coholt zu groß, denn es kann ja nur jemand vom Sicherheitsdienst gewesen sein, der ihn verpfiffen hat. Kein anderer außer Benedict weiß davon.

    Dass jeder der beiden Geheimnisse hat sollte das Gespraech... von Anfang an unangenehm machen - man macht Smalltalk, ist aber nicht bei der Sache. Pausen ergeben sich die man meint ueberbruecken zu muessen.

    Das ist ein sehr interessanter Gedanke. Da werde ich auf jeden Fall schauen, ob ich in der Richtung noch was machen kann. Wie ich das für Ares darstelle, erscheint mir weniger schwierig. Bei Etienne hingegen kann ich nur das schreiben, was Ares wahrnimmt. Echt knifflig, aber das schau ich mir auf jeden FAll nochmal an.

    Etienne sollte viel darueber nachgruebeln wie viel er Ares jetzt erzaehlen will, und Ares will die ganze Zeit eigentlich zu seinem Thema kommen, weiss aber nicht wie - er muesste zeitweise abwesend wirken waehrend ueber den Onta gesprochen wird weil er ja ueberlegt wie er die Sache mit den Chips zur Sprache bringt.

    Das ist schwer zu beschreiben, denn Kapitel 10 ist aus Ares' Sicht geschrieben. Ich kann wie schon o.g. nur seine Wahrnehmung einbringen. Wie Etienne sich fühlt, was in ihm vorgeht, muss der Leser dann daraus erkennen. Oh weh, da liegt noch allerhand Arbeit vor mir.

    Und hier schummelst Du einfach:

    Hm, da weiß ich jetzt nicht, was du mit "schummeln" meinst. Ich kenne es nur als Synonym für mogeln, also betrügen. Aber ich kann in dem folgenden Zitat nichts finden, wo ich gemogelt haben soll. :hmm:

    Sollte er ihm nicht zumindest vorher ein Schweigeversprechen abnehmen, oder so? Sollten wir Ares nicht sehen wie er herumdruckst, andeutet und dann damit rauskommt?

    Das ist eine gute Idee. Ich habe zwar ein paar Sätze später stehen, dass Ares sich sicher ist, dass Etienne schweigt, aber das könnte ich sogar für beide einfügen.

    Die knappe Zusammenfassung die Du uns hier lieferst nimmt die ganze Dramatik der Szene raus, wischt ueber die Psychologie der Figuren hinweg - da ist viel Drama drin das meiner Meinung nach hier einfach verschenkt wird.

    Das habe ich hauptsächlich deshalb so kurz gehalten, weil der Leser ja alle Details zu den Chips genauso kennt wie Ares. Ich wollte nicht langweilen. Ich kann Etiennes Reaktion noch etwas mehr herausarbeiten, obwohl ich da schon nachgebessert habe (blaue Schrift). Aber ich habe auch Angst, das Ganze zu sehr auszuwalzen. Seine Emotionen sind ja kurz darauf beschrieben, Aber etwas knapper. Ist wohl ein Relikt aus meiner Zeit, in der ich die "Guardians" schrieb. || Da wurde permanent angemahnt, dass zu viel geredet wird und zu wenig passiert. Deshalb hat sich mein Schreibstil auch verändert. Ich kann so was schreiben, will aber dann nicht lesen müssen: "Passiert auch mal wieder was? Irgendwann?"

    evtl. koenntest Du das entzerren und Ares zu diesem Zeitpunkt noch mit sich ringen lassen ob er ueberhaupt was erzaehlen will, so dass Etienne die Buehne in der Szene hat und Ares dann spaeter...

    Das wäre eine Möglichkeit und das war auch der urspüngliche Plan. Aber ich habe ihn dann geändert und war eigentlich froh, diese beiden wichtigen Gespräche in einem Part abhandeln zu können. Sonst muss ich irgendwo noch einen Redepart einbasteln. Ich hab so schon Angst, dass die Leserschaft irgendwann nach Action schreit. Andererseits würde mir ein n euer Abschnitt, in dem Ares sein Geheimnis lüftet, die Möglichkeit geben, den Leser hautnah bei Etienne sein zu lassen, während er zuhört.

    Es ist eine Gratwanderung.

    Ich muss mal drüber nachdenken. Es sind wirklich sehr interessante Vorschläge. Aber die Angst, zu viel "Gelaber" und zu wenig "Handlung" zu liefern, ist nun mal da und bestimmt auch meine Schreibe.

    Trotzdem bin ich dir unheimlich dankbar für alle deine Anmerkungen. Ich will es gut hinkriegen und kritische Stimmen helfen dabei ungemein.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Spoiler anzeigen

    Hm, da weiß ich jetzt nicht, was du mit "schummeln" meinst. Ich kenne es nur als Synonym für mogeln, also betrügen. Aber ich kann in dem folgenden Zitat nichts finden, wo ich gemogelt haben soll.

    Ist nicht klar von mir - was ich meine ist, dass Du eine komplizierte aber wichtige Szene nicht ausformulierst sondern zusammengefasst beschreibst. Fuer mich fuehlt sich sowas ein bisschen wie mogeln an weil Du hier die Komplikationen vermeidest.

    Das habe ich hauptsächlich deshalb so kurz gehalten, weil der Leser ja alle Details zu den Chips genauso kennt wie Ares. Ich wollte nicht langweilen.

    Ah - okay.

    Fuer mich ist das Spannende hier nicht die Details zu den Chips - sondern die Reaktion von Etienne. An den Chips rumzuspielen die fuer diese Gesellschaft so wichtig sind ruehrt ja an ein Tabuthema - das ist etwa so wie wenn Ares in unserer Zeit Etienne beschreibt dass sein Vater einen Kinderpornoring betreibt.

    Die Chips und die Art wie Leute sterben wenn ihre Zeit rum ist (oder eben nicht) sind einer der interessantesten Punkte wo die Gesellschaft die Du entwirfst von unserer abweicht - und hier kommt dieser Punkt richtig stark in den Fokus - das ist auf jeden Fall interessant finde ich.

  • Zu 11:

    Das finde ich im Wesentlichen von der Dynamik und der Atmosphaere stimmig, nur zwei Sachen sind mir aufgefallen.

    „Coholt muss bestraft werden“, verlangte er erneut und es klang wie ein Befehl. „Er darf nicht ungeschoren davonkommen.“
    Sie spürte ein warnendes Klopfen in der Schläfe. Der Kerl wagte es tatsächlich, ihr Vorschriften machen zu wollen. „Ich sagte: Guten Tag, Axiom!“, zischte sie.

    Bis dahin geht's irgendwie, aber wir sind immer noch beim Militaer (wie spaeter auch klargestellt wird) - so kann er nicht zu einer Vorgesetzten reden. Und sie muss ihn nicht rauskomplimentieren, sie kann ihn einfach wegtreten lassen oder wegen Insubordination belangen.


    Nur deshalb konnte er so ruhig schlafen nach der Schicht, dass er am Nachmittag geweckt werden musste. Ein reines Gewissen ist eben doch ein ...

    Ich finde das mit dem reinen Gewissen einen eigenartigen Gedanken von Frida. Die hat ja doch das eine oder andere an Dreck am Stecken und schlaeft offensichtlich auch. Die Idee dass sie ein irgendwie besseres Bild von ihrem Lover hat gefaellt mir schon, nur die Formulierung hier finde ich irgendwie nicht so gelungen.

  • Hallo Thorsten

    Spoiler anzeigen

    Wie immer herzlichen Dank!

    Bis dahin geht's irgendwie, aber wir sind immer noch beim Militaer (wie spaeter auch klargestellt wird) - so kann er nicht zu einer Vorgesetzten reden. Und sie muss ihn nicht rauskomplimentieren, sie kann ihn einfach wegtreten lassen oder wegen Insubordination belangen.

    Hier bin ich nochmal drübergegangen und hab nachgebessert. Ich glaube mich zu erinnern, dass du überarbeitete Passagen nicht unbedingt nochmal lesen magst. Aber es ist nicht viel und ich habe den Text blau gefärbt, damit du ihn leichter findest. Mich würde interessieren, ob das Militärische im Kapitel 11 jetzt besser rauszuhören ist.

    Ich finde das mit dem reinen Gewissen einen eigenartigen Gedanken von Frida. Die hat ja doch das eine oder andere an Dreck am Stecken und schlaeft offensichtlich auch. Die Idee dass sie ein irgendwie besseres Bild von ihrem Lover hat gefaellt mir schon, nur die Formulierung hier finde ich irgendwie nicht so gelungen.

    Da stimm ich dir zu, Ich habe den Satz einfach gestrichen. :thumbup:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • So, ich bring euch mal den Rest vom Kapitel 12. Danke für eure Likes zum Part 1, Iskaral , Kirisha , Novize und Ichuebenoch :)

    Mit dem Kapitel 10 setz ich mich noch einmal auseinander, aber momentan fällt mir nix ein.

    Zum vorigen Teil

    Kapitel 12 (2/2)


    Es folgte eine endlose Kette von Fragen. Eine reihte sich an die andere gleich einem Bombardement. Tevor antwortete und sofort folgte die nächste. Als er bemerkte, dass die Ärztin alles aufzeichnete, was sie selbst und er sagten, nahm seine Unsicherheit noch zu. Doch zum Überlegen blieb keine Zeit.
    Als er irgendwann die letzte Frage beantwortet hatte, begann etwas Neues. Er musste Übungen machen, Geräusche hören und Dinge auf Bildern erkennen. Danach wurde er von Dr. Milström in einen anderen Raum gebracht, wo er sich auf eine Liege in der Mitte legen musste. Ein an der Decke angebrachter Scanner wurde langsam von seinem Kopf bis zu den Füßen geführt und dabei entstand ein grün leuchtendes Abbild seines Körpers. Fasziniert betrachtete er das Hologramm, seine Organe, die so detailliert dargestellt wurden, dass er sogar das Blut in den Adern strömen sah. Zum Schluss öffnete die Ärztin eine Klappe in der Wand und holte einen Helm heraus, der dem glich, den er bei BuyVis getragen hatte.
    Erneut machte sich Furcht in ihm breit und mit einem Mal fiel ihm das Atmen schwer. Daran, dass der Helm den Schmerz damals verursacht haben konnte, hatte er bisher gar nicht gedacht. Was, wenn es wieder passierte? Nein!, wollte er schreien. Sein erster Impuls war aufzuspringen und möglichst viel Abstand zwischen sich und das Ding zu bringen. Doch er tat es nicht. Die Kameras sahen alles.
    Doktor Milström war sein Anflug von Panik nicht entgangen. Er sah die Verwunderung über seinen erschrockenen Blick in ihren Augen und hörte ihre beruhigenden Worte. Aber das half ihm nicht. Sie hatte ja keine Ahnung, was für ein Erlebnis er mit dem Helm verband.
    Innerlich noch immer widerstrebend duldete er das Aufsetzen. Während der Puls in seinen Schläfen hämmerte und seine Hände schwitzten, merkte er, wie sich die Liege unter ihm veränderte. Die Polster wurden weicher und schmiegten sich an seinen Körper. Das Rückenteil hob sich, so dass er wie in einem Sessel saß. Von dem, was der Helm tat, spürte er nichts. Nach wenigen Minuten war es vorbei und beim Ziepen der sich lösenden Saugnäpfe an Stirn und Schläfen überflutete ihn grenzenlose Erleichterung.
    Er musste in der Kabine warten, bis die Ergebnisse vorlagen. Dann kam die Ärztin erneut zu ihm.
    „Ich habe keine Unregelmäßigkeit finden können, Tevor TwoFive-O“, verkündete sie, ohne den Blick von ihrem Datenpad zu lösen. „Du bist vollkommen gesund. Lass dir in einem Jahr wieder einen Termin geben.“ Sie nickte ihm zu und verschwand.

    Nur einen Augenblick später stand Tevor wieder vor dem Klinikeingang, der sich zischend hinter ihm geschlossen hatte.
    Ich bin gesund, wiederholte er in Gedanken, während er – gefolgt von dem Gardisten - durch den Korridor zum Ostlift lief. Mir fehlt nichts.
    Ein zaghaftes Glücksgefühl machte sich in ihm breit. Doch es konnte die unterschwellig nagende Angst nicht verdrängen. Sie hat nichts gefunden, korrigierte er sich, das heißt nicht, dass alles in Ordnung ist. Konnte es sein, dass sie nicht die richtigen Untersuchungen durchgeführt hatte? Dieser Helm hatte nichts Merkwürdiges in seinem Kopf angezeigt, doch – was, wenn er langsam verrückt wurde? Drehte er irgendwann völlig durch?
    Er hatte den Lift erreicht und betrat – flüchtig gemustert von dem danebenstehenden Ypir – die nächste freie Plattform. Dieser Helm ... Der Ärztin war sein Zurückweichen nicht entgangen. Er hatte sich auffällig verhalten. Ob sie es der Sicherheit gemeldet hatte? Ein Frösteln kroch seine Arme hoch und er verspürte schon wieder den Drang, sich verstohlen zu seinem Begleit-Ypir umzusehen. Unwillig schüttelte er den Kopf. Beruhige dich, mahnte er sich selbst.
    Vielleicht sollte er diesen Tag im Visodrom beenden und sich den Wald ansehen. Es war kein Vergleich zu BuyVis, aber er besaß noch nicht genug Credits für einen neuen Besuch dort. Und den hatte er sich schon vorgenommen. Regen auf der Haut - dieses Gefühl wollte er kennenlernen. War es ähnlich wie duschen?
    Nein, er würde keinen Credit für das Visodrom verschwenden. BuyVis lief ihm nicht weg. Und vielleicht war ja auch die blonde Servicer-Frau am Empfang wieder da, wenn er einen neuen Besuch unternahm.

    „Doktor Emma Milström erbittet Einlass.“
    Julian hob den Kopf. „Authorisiert“, antwortete er dem Computer. Es war noch früh am Morgen und er hatte eben erst die Auflistung von den Ereignissen der Nacht studiert.
    Zischend öffnete sich die Tür seines Büros und die Ärztin trat ein.
    Verwundert betrachtete er sie. Sie wirkte übernächtigt, war blass.
    „Was führt Sie so zeitig zu mir, Emma?“, fragte er besorgt.
    „Als Erstes möchte ich Ihnen danken, dass Sie Xiah EightEight-C das Arbeiten in der Klinik ermöglicht haben.“
    Er nickte. „Doch der Sicherheitsdienst hat dasselbe gesagt wie ich: Es ist eine Ausnahme. Und bei der geringsten Auffälligkeit erhält sie einen neuen Arbeitsplatz unten in Drei oder Vier, wo sie als Onta hingehört. Vergessen Sie das bitte nicht!“
    Sie biss sich auf die Lippen. „Jawohl“, kam es leise zurück.
    „Und zweitens?“
    Eine Moment wirkte sie verwirrt, doch dann verstand sie.
    „Ich fürchte, ich bin da auf etwas Beunruhigendes gestoßen.“ Sie atmete einmal tief durch, dann trat sie näher und hielt ihm ihr Datenpad entgegen.
    Er nahm es entgegen, ohne den Blick von ihr zu lösen. „Um was geht es?“
    „Schauen Sie sich die Ergebnisse dieser Untersuchung an und achten Sie besonders auf die Aufzeichnung der Gehirnströme.“
    Während er die Daten studierte, bemerkte er, dass sie ihn betrachtete. Unbehaglich wandte er sich ein wenig ab. War sie etwa auch eine von denen, die ihm in der Servicer-Cantina schmachtend hinterherstarrten? Er wusste von diesen Blicken, obwohl er nie einen erwidert hatte. Aber Emma? Sie hatte er anders eingeschätzt. Die blonde Schwedin war kühl, fast distanziert und ihre Kontakte miteinander hatten stets einen beruflichen Hintergrund.
    Als er sich alle Ergebnisse genau angesehen hatte, legte er das Pad auf den Schreibtisch.
    „Von wann ist das?“, wollte er wissen.
    „Gestern, am späten Nachmittag. Was sagen Sie dazu?“
    Julian lehnte sich zurück. „Bedenklich. Hat der Onta über Beschwerden geklagt?“
    Sie schüttelte den Kopf. „
    Nein. Aber er wirkte verschüchtert, fast ängstlich. Sehen Sie die Vitalparameter? Er hat geschwitzt, sein Puls war deutlich erhöht. Außerdem konnte er mir kaum in die Augen schauen. Ich vermute, er hat mir etwas verschwiegen. Es war sein erster Routine-Check, seit er im Ring ist. Und das sind drei Jahre.“„Stimmt, für bloße Aufregung ist das ein bisschen zu viel.“ Julian nickte langsam. „Ich kann diese Spitzen hier“, er tippte mit dem Finger auf das Pad, „hier und hier nicht einordnen. Sind das Anzeichen für Schmerzen? Hatte er Zuckungen während der Aufzeichnung?“
    „Mir ist nichts aufgefallen. Aber ich habe auf die Werte geschaut und ihn nicht ununterbrochen beobachtet.“
    Er reichte ihr das Datenpad zurück. „Bestellen Sie ihn in zwei Wochen noch einmal her. Vielleicht war es eine einmalige Sache und er war wirklich nur aufgeregt. Ansonsten müssen wir davon ausgehen, dass bei seinem Aufnahme-Medi-Check etwas schiefgegangen ist.“
    „Das macht sich erst jetzt bemerkbar? Nach drei Jahren?“
    Er hob die Schultern. „So etwas ist noch nie aufgetreten. Wenn sich in vierzehn Tagen dieselben Ergebnisse zeigen, werden wir einen Tracker auf ihn ansetzen lassen.“
    Er sah, wie Emma unbehaglich auf der Unterlippe kaute, und er wusste, warum. Ein Tracker, das bedeutete Dauerüberwachung einer Person im Ring, egal welchen Status sie besaß. Und zwar durch Sicherheits-Servicer, die mittels Kameras jeden ihrer Schritte verfolgten. Die üblichen Überwachungseinrichtungen wie Scanner, Kameras und Chips meldeten sich erst, wenn sich jemand auffällig verhielt oder gegen die Regeln verstieß. Doch mit einem Tracker befand sich der Beobachtete faktisch unter einem Mikroskop, ohne es zu wissen. Derartiges wurde nur bei anzunehmendem Sicherheitsrisiko angeordnet und er hatte es bisher erst zwei Mal in Auftrag gegeben. Wenn also die Ergebnisse bei dem Check in zwei Wochen wieder so waren, hatte seine Ärztin diesen Onta gerade der totalen Kontrolle ausgeliefert. Und das zu wissen, schien ihr Unbehagen zu verursachen.

    „Vielen Dank, Emma, gut, dass Sie damit hergekommen sind.“ Er nickte ihr zu.
    Sie zögerte kurz, dann erwiderte sie sein Nicken und wandte sich zum Gehen.

    Grübelnd sah er ihr nach. Er hatte selbst ein ungutes Gefühl bei dieser Sache. Es ist nötig, beschwichtigte er seine Bedenken, eine derart abweichende Aufzeichnung kann auf alles Mögliche hinweisen. Er hoffte, dass bei der nächsten Untersuchung Entwarnung gegeben werden konnte und er nicht zu diesem Schritt gezwungen war. Den Onta, den er im letzten Jahr tracken ließ, hatte er danach in der Datenbank nicht mehr finden können.

    Hier geht's weiter: Kapitel 13

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    4 Mal editiert, zuletzt von Tariq (27. Juni 2023 um 12:02)

  • Tariq

    Spoiler anzeigen

    Seltsames geht vor sich im Ring... (ich bin immer noch bei der Geister-Theorie :) )

    Der zweite Teil des Kapitels wirft zwar mehr Fragen auf, als er beantwortet, aber ich bin auf die Lösung dieses Side-Plots sehr gespannt.


    Eine Frage hätte ich aber:

    Zitat von Tariq

    Doktor Milström war sein Anflug von Panik nicht entgangen. Er hatte die Verwunderung über sein erschrockenes Zurückweichen in ihren Augen gesehen und ihre beruhigenden Worte gehört.

    (...)

    Hat er gezuckt bei der Aufzeichnung?“

    „Mir ist nichts aufgefallen. Aber ich habe auf die Werte geschaut und ihn nicht ununterbrochen beobachtet.“


    Lügt Dr. Milström hier, oder sind einfach zwei verschiedene Arten des Zurückzuckens gemeint?


    Und noch eine minimini-kleinigkeit

    Zitat von Tariq

    er hatte eben erst die Auflistung von den Ereignissen der Nacht studiert.

    (Das "n" fehlte im Text)


  • Hi @Tariq

    Meine Gedanken zum neuen Teil

    Scheint so als ob Tevor anfängt eine Psychose zu entwickeln.

    Sie hat nichts gefunden, korrigierte er sich, das heißt nicht, dass alles in Ordnung ist.

    Die verdrehte Logik die da drin steckt passt sehr passend.

    Eine Kleinigkeit im zweiten Teil: Der medizinische Befund ist teilweise doppelt gemoppelt, da wir einen Großteil davon ja schon bei der Untersuchung erfahren haben.

    Insgesamt wieder ein solider Teil auf gewohnt hohem Niveau

    Eine Sache noch die sich aber nicht speziell auf das letzte Kapitel bezieht, ist mir nur gerade so in den Sinn gekommen.

    Irgendwie scheinen alle Figuren aus Europa oder dem westlichen Kulturkreis zu kommen. Wir haben Griechen, Franzosen

    Schweizerinnen und Schwedinnen aber anscheinend keine Asiaten, Afrikaner oder Menschen aus Lateinamerika.

    Finde ich für eine zukünftige Welt wie beschrieben eher ungewöhnlich, es sei den der Kyrios hat bei der Auswahl seiner

    Mitarbeiter eine kleine rassistische Anwandlung bekommen.

  • Mich würde interessieren, ob das Militärische im Kapitel 11 jetzt besser rauszuhören ist.

    Ja, finde ich jetzt besser.

    Zu 12/1:

    Das ist dir gut gelungen, grade die Aufwachszene finde ich sehr intensiv, und die paar anderen kleinen Begebenheiten sind auch schoen spooky geworden :thumbup:

    Ist vielleicht Geschmackssache, aber das

    Entsetzt riss Tevor die Augen auf. Ein Schrei wollte seine Kehle verlassen und verzweifelt presste er beide Hände vor den schon geöffneten Mund, um es zu verhindern. Sein Herz hämmerte wie verrückt und der jäh einsetzende Kopfschmerz ließ ihn gepeinigt die Augen zukneifen.
    Jemand war bei ihm! Hier, in seiner Wohneinheit und jetzt sogar in seinem Bett!

    wuerde ich umstellen, also

    Entsetzt riss Tevor die Augen auf.

    Jemand war bei ihm! Hier, in seiner Wohneinheit und jetzt sogar in seinem Bett!

    Ein Schrei wollte seine Kehle verlassen und verzweifelt presste er beide Hände vor den schon geöffneten Mund, um es zu verhindern. Sein Herz hämmerte wie verrückt und der jäh einsetzende Kopfschmerz ließ ihn gepeinigt die Augen zukneifen.

    Meiner Meinung nach kannst Du nicht zu lange seine Symptome beschreiben ohne drauf einzugehen was jetzt so schockierend ist - so eine kurze Ouverture ist okay, aber wenn's zu lang wird nimmt es der Szene was.

  • Hallo Iskaral , Ichuebenoch und Thorsten

    herzlichen Dank für euer hilfreiches Feedback, ich freu mich total!

    Spoiler anzeigen

    Lügt Dr. Milström hier, oder sind einfach zwei verschiedene Arten des Zurückzuckens gemeint?

    Ich hatte mir für Tevor ein reines Zurückweichen vorgestellt wie bei etwas, vor dem man sich fürchtet. Und ich wollte den Unterschied zu dem, wonach Julian gefragt hat, durch das Wort "zucken" deutlich machen.

    Julian erkundigt sich, ob während der Messung der Gehirnströme bei Tevor ein Zucken aufgetreten ist, was z.B. durch Stress und Anspannung ausgelöst werden kann oder Vorbote eines Anfalls sein kann. Hm, scheint nicht wirklich offensichtlich zu sein. Ich werde Tevors Zurückweichen vielleicht in einen erschrockenen Blick ändern. Danke für's Anmerken :thumbup:

    Die verdrehte Logik die da drin steckt passt sehr passend.

    Ich hätte lieber einen Char gehabt, der diesen Satz zu Tevor sagt, als ihn selbst darauf kommen zu lassen. Aber das Dilemma ist nun mal, dass niemand mit Tevor spricht und ihn auch niemand auf den kleinen Unterschied zwischen "gesund" und "nichts gefunden" hinweisen kann. Der arme Kerl ...

    Eine Kleinigkeit im zweiten Teil: Der medizinische Befund ist teilweise doppelt gemoppelt, da wir einen Großteil davon ja schon bei der Untersuchung erfahren haben.

    Das schau ich mir nochmal an. Da kann ich bestimmt was kürzen.

    Insgesamt wieder ein solider Teil auf gewohnt hohem Niveau

    Vielen Dank! :)

    Eine Sache noch die sich aber nicht speziell auf das letzte Kapitel bezieht, ist mir nur gerade so in den Sinn gekommen.

    Irgendwie scheinen alle Figuren aus Europa oder dem westlichen Kulturkreis zu kommen. Wir haben Griechen, Franzosen

    Schweizerinnen und Schwedinnen aber anscheinend keine Asiaten, Afrikaner oder Menschen aus Lateinamerika.

    Finde ich für eine zukünftige Welt wie beschrieben eher ungewöhnlich, es sei den der Kyrios hat bei der Auswahl seiner

    Mitarbeiter eine kleine rassistische Anwandlung bekommen.

    Hm, jetzt, wo du es sagst - es stimmt, ich habe meine Leser bisher nur Europäer kennenlernen lassen. Nur Malcolm Benedict ist aus Australien und Thilia aus Kanada. Aber ich habe jetzt mal in meiner Charakter-Datei nachgeschaut, wir begegnen außer den genannten:

    Spoiler anzeigen

    - einem weiteren Kanadier

    - einem Japaner

    - einem Kameruner

    - einem Kubaner und

    - fünf US-Amerikanern

    außerdem gibt es noch

    - einen Briten

    - einen Österreicher

    Linus Krell ist Deutscher und Julian ist Niederländer. Und es gibt dann noch ein paar Personen, die Relikte aus der ersten Fassung sind und von denen ich noch nicht weiß, ob ich sie behalten werde.

    Dass Mestor sich vorzugsweise mit Europäern umgibt, will ich ihm mal nicht unterstellen. Es ist wohl eher Zufall gewesen, ich habe nicht groß über die Nationalität der Chars nachgedacht. :D

    Edit:

    Herzlichen Dank auch dir, Thorsten Hab deinen Beitrag erst gesehen, nachdem ich auf "Antworten" geklickt hatte.

    Das mit em Umstellen ist ein guter Vorschlag, ich ändere das ab. Gefällt mir besser.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • So, Novize , Iskaral , Ichuebenoch , Kirisha , Thorsten . :)

    Ich habe das Kapitel 10 jetzt komplett ersetzt. Und nicht nur das: Ich habe die Perspektive gewechselt und den Part, in dem Ares über das spricht, was er von seinem Vater erfahren hat, rausgenommen. Das bringe ich später unter.

    Ich hoffe, ich habe die Dinge, die ihr angemerkt hattet, damit verbessert ud der Text ist runder geworden. Ich erwarte nicht, dass ihr das ganze Kapitel nochmal lest, aber wenn es jemand tut, wäre ich für Feedback dankbar. :danke:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Hi @Tariq

    da du ja um Rückmeldung zu Kapitel 10 gebeten hast, hab ich mir die Neufassung nochmal durchgelesen und versuche jetzt mal

    meine Gedanken dazu rüberzubringen. Erwarte aber nicht zu viel ich fand die erste Version eigentlich schon ganz gut.

    Als erstes, beim Editieren muß irgendwas schief gelaufen sein, da Etiennes Gedanken nicht in kursiv geschrieben sind was bei mir teilweise für Verwirrung gesorgt hat.

    Gut beschrieben finde wie Ares immer wieder leicht geistesabwesend ist und Etienne sich nach dem Grund dafür fragt.

    Jetzt aber mal ein wenig ins Detail

    Vielleicht würde er Coholt nicht nur zur Rede stellen, sondern handgreiflich werden. Er hatte getrunken. Ares gegen Coholt, das konnte nur in einer Katastrophe enden, weil niemand wusste, wie viele Ypir-Gardisten dem Prügel-Axiom zur Seite standen. Konnte man der Garde überhaupt noch trauen? War Coholt vielleicht schon längst der eigentliche Commandant und Frida nur seine Marionette?

    Theoretisch könnte das sogar eine handfeste Meuterei geben. Ares und Malcolm auf der einen Seite gegen Frida und Dwayne auf

    der anderen. Dazu noch die restlichen Axiome von denen unklar ist wie sie sich positionieren.


    Etienne schloss den Mund wieder und schwieg. Es gab viele Lagerräume unten in der fünf.

    Gute Formulierung. Etiennes Ängste werden kurz und knapp beschrieben. Jeder versteht sofort was er fürchtet ganz ohne lang-

    atmige Beschreibungen.

    Er konnte sehen, wie Ares ihn erschrocken anstarrte.

    Finde ich zu stark vielleicht eher überrascht oder erstaunt.


    „Ich bin nicht so betrunken, dass ich nicht erkennen würde, dass dich etwas umtreibt. Du verbirgst es gut. Aber ich kenne dich.“
    Jetzt war es an Etienne, verblüfft zu sein. Damit ? Passt eigentlich nicht, Überbleibsel aus der vorigen Version? war überraschend gekommen. Er hatte die Wirkung des Alkohols auf Ares überschätzt.

    „Du hast ein Geheimnis vor mir“, stellte er fest, ohne auf Ares‘ Bemerkung einzugehen. „Was es auch ist, ich will dich daran erinnern, dass wir Freunde sind und du dich mir deshalb jederzeit anvertrauen kannst.“
    Eine Weile herrschte Stille. Keiner von ihnen sagte etwas. Ares schien sich nicht überwinden zu können zu sprechen. Wieder zwirbelten seine Finger abwesend die Kissenecke.
    Etienne war der Erste, der das Schweigen brach, bevor es belastend wurde. Und er entschied sich, Ares nicht zu bedrängen und stattdessen zum vorigen Thema zurückzukehren.

    Das ist die Stelle die nach meinem Empfinden am ehesten ein wenig hakt. Ares geht gar nicht auf Etiennes Frage ein, ich hätte zumindest erwartet das er darauf zumindest eine abwiegelnde Bemerkung macht zb. "Lass uns ein andermal darüber reden" oder etwas in der Art.

    Etienne verhält sich im nächsten Moment ähnlich das wirkt auf mich seltsam. Zumindest irgendeine Floskel um die Spannung zwi-

    schen den beiden zu mildern hätte ich erwartet.

    „Hast du es einrichten können?“, fragte Ares rau.

    Hier ist mir nicht ganz klar was gemeint ist.


    Insgesamt gefällt mit das Kapitel in der neuen Fassung sehr gut und ich hoffe die von mir angemerkten Punkte helfen dir ein

    bisschen

  • Hallo Ichuebenoch

    Spoiler anzeigen

    Insgesamt gefällt mit das Kapitel in der neuen Fassung sehr gut und ich hoffe die von mir angemerkten Punkte helfen dir ein

    bisschen

    Das freut mich total und ja, natürlich helfen mir deine Anmerkungen!! :thumbsup: Nicht nur ein bisschen, sondern viel.

    Theoretisch könnte das sogar eine handfeste Meuterei geben. Ares und Malcolm auf der einen Seite gegen Frida und Dwayne auf

    der anderen. Dazu noch die restlichen Axiome von denen unklar ist wie sie sich positionieren.

    Hier denkst du sogar weiter als ich, aber du hast Recht: Da könnte sich was Übles draus entwickeln.

    Echter Spoiler

    Es ist im Plot nicht vergesehen, aber ich behalte es mal ihm Hinterkopf.

    Gute Formulierung. Etiennes Ängste werden kurz und knapp beschrieben. Jeder versteht sofort was er fürchtet ganz ohne lang-

    atmige Beschreibungen.

    Vielen Dank. Dieser knappe Stil ist das Ergebnis harter (Schnitz-)Arbeit an mir selbst. :S Du hättest frühere Texte von mir lesen sollen. :rofl: Umso mehr freut es mich, das zu hören.

    Finde ich zu stark vielleicht eher überrascht oder erstaunt.

    Hm, ich wollte schon, dass Ares' Schreck hier rüberkommt, weil er ja geglaubt hat, sich gut verstellen zu können. Und nun ist er erschrocken, dass Etienne ihm doch auf die Schliche gekommen ist, zumal er ja brisante Dinge geheimhält. Ich habe das "erschrocken" mal drin gelassen und ein "beinahe" davor gesetzt. Das ist mehr als überrascht oder erstaunt und weniger als wirklich erschrocken, denk ich. :hmm:

    Das ist die Stelle die nach meinem Empfinden am ehesten ein wenig hakt. Ares geht gar nicht auf Etiennes Frage ein, ich hätte zumindest erwartet das er darauf zumindest eine abwiegelnde Bemerkung macht zb. "Lass uns ein andermal darüber reden" oder etwas in der Art.

    Etienne verhält sich im nächsten Moment ähnlich das wirkt auf mich seltsam. Zumindest irgendeine Floskel um die Spannung zwi-

    schen den beiden zu mildern hätte ich erwartet.

    Du hast Recht, Ares müsste auf die Frage eigentlich was sagen. Aber er entscheidet sich, sie zu ignorieren und stattdessen Etienne auszuhorchen. Und Etienne bemerkt, dass der Freund seine Frage ignoriert hat. Er will Ares aber nicht bedrängen, deswegen bietet er nur noch an, dass er zuhören wird, wenn Ares reden will. Er ist nicht glücklich damit und die Spannung ist so gewollt, die habe ich mit dem Schweigen extra noch betonen wollen. Etienne mildert sie erst, indem er das Thema wechselt.

    Ich habe aber trotzdem noch ein, zwei Worte eingefügt, um das, was ich geplant hatte, besser zu verdeutlichen.

    Hier ist mir nicht ganz klar was gemeint ist.

    Ares wollte wissen, ob Etienne es einrichten konnte, dass die weibliche Onto ab Samstag in der Klinik arbeitet. Sowas zu klären ist Aufgabe des Sicherheits-Chefs wegen der Änderung der Zutrittsberechtigungen für die Frau. Aber ich will nicht, dass der Leser an der Stelle grübelt und habe es mal geändert in ein "Hast du es ermöglicht?" Ich hoffe, so kommt der Sinn der Frage besser raus und sie stiftet keine Verwirrung. :D

    So, dann bleibt mir nur nochmal :danke: zu sagen. Die Formatierung in kursiv habe ich nachgeholt, Schusselfehler. :patsch:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Das Kapitel 13 ist ziemlich kurz mit knapp 1.000 Wörtern, aber da es zwischen zwei Tevor-Kapiteln steht, muss es separat sein. Mal sehen, vielleicht kann ich später noch was ergänzen.

    _____________________________________________

    Zum vorigen Teil

    ~~~ Kapitel 13 ~~~

    Kapitel 13 (1/1)


    Mit gerunzelter Stirn las Etienne die aufgepoppte Nachricht auf dem Bildschirm. „Registrierte Abweichungen von Verhaltensregeln, registrierte Abweichung von Vitalparametern“, meldete der Computer.
    Wiedermal ein Onta, der glaubt, er kann tun und lassen, was er will, dachte Etienne grimmig und rief sich die Details auf den Monitor.
    Tevor TwoFive-O, erschien in der oberen linke Ecke.
    „Mit was hast du dir bloß das Absitzen deiner Strafe im Ring eingehandelt?“, knurrte Etienne verwundert und ließ den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Mannes ermitteln. Als der Computer ihn gefunden hatte, legte Etienne das Bild der Kamera auf den großen Bildschirm und zoomte näher heran.

    Dieser Tevor war das, was man durchschnittlich nannte. Schmächtig, etwa so groß wie er selbst, das militärisch kurz geschnittene Haar dunkel, die Ohren ein wenig abstehend. Er hatte das, was man ein Allerweltsgesicht nannte, und einen offenen Blick, der sich jetzt, als ein Ypir dem Onta auf dem Korridor entgegenkam, unterwürfig senkte. Dieser Tevor wirkte vollkommen harmlos.
    „Kaum zu glauben, dass du ein schweres Verbrechen begangen hast“, murmelte Etienne. „Du wirkst eher wie der nette Typ von nebenan. Ich muss mir bei Gelegenheit mal deine Akte vornehmen. Also, was ist dein Problem, Junge?“
    Es kam öfter vor, dass er mit der Person sprach, die er auf dem Bildschirm sah. Eine Angewohnheit, von der er wusste, dass die anderen Sicherheits-Servicer in der Zentrale daran gewöhnt waren. Meist tat er das, wenn seine Hände in Bewegung waren, er also etwas auf der Tastatur eintippte oder die Aufzeichnungen früherer Ereignisse anschaute, so wie jetzt. Der Computer hatte Auffälligkeiten in den letzten Nächten angezeigt. Also suchte er die betreffenden Dateien und startete die Wiedergabe. Aufmerksam verfolgte er die Szenen auf dem Bildschirm. Der Onta verhielt sich wirklich seltsam. Er schlief unruhig, warf sich im Bett herum, stöhnte sogar.
    Kein Wunder, dass der Computer Abweichung von nächtlichen Verhaltensparametern feststellt, erkannte Etienne, so verhält sich kein normaler Schläfer. Vielleicht war der Mann krank?
    Etienne überlegte gerade, ob er die Klinik informieren sollte, damit man diesen Tevor mal zum Medi-Check bestellte, als er sah, wie dieser aus dem Bett sprang, beinahe stürzte und sich dann in eine Zimmerecke flüchtete. Verwundert spielte er die Sequenz noch einmal ab und dann ein drittes Mal.

    Der Onta hat aus reiner Panik so reagiert, erkannte er verblüfft. Doch es war nichts zu sehen, was diese Panik ausgelöst haben konnte. Ein Traum? Halluzinationen?

    Er sprang in der Aufzeichnung weiter zur nächsten Stelle, die vom Computer als auffällig angegeben und – das wunderte ihn nicht – in der Folgenacht aufgezeichnet worden war. Das Geschehen wiederholte sich in ähnlicher Weise, nur dass der Onta diesmal im Bett blieb, allerdings stocksteif daliegend. Die im unteren Bildrand mitlaufende Kurve seiner aufgezeichneten Herzfrequenz zeigte jedoch Werte, die Etienne nur von der Anzeige seines eigenes Trainingsgerätes kannte, nachdem er eine Stunde Ausdauertraining absolviert hatte.
    Was war bloß los mit diesem Kerl? Träumte er nur lebhaft oder hatte sein Oberstübchen irgendwie Schaden genommen?
    Etienne beschloss, Ares zu fragen, ob der den Mann als Sicherheitsrisiko einstufen würde. Normalerweise entschied er das selbst, aber dieser Onta wirkte nicht gefährlich, sondern eher – paranoid. Besser, Ares schaute sich das mal an.
    „Hast du Zeit, mal in der Zentrale vorbeizukommen?“, fragte er, als sich der Freund am ComPad meldete. „Ich hab da was, was du dir mal ansehen könntest.“
    „Dringend?“, fragte Ares zurück.
    „Nun ja, es könnte ein Sicherheitsrisiko -“
    „Ich bin unterwegs.“
    Schulterzuckend trennte Etienne die Verbindung. Er hatte nicht übertrieben. Dieser Tevor TwoFive-O verhielt sich seltsam und das konnte nicht ignoriert werden.


    Als Ares zehn Minuten später kopfschüttelnd zuschaute, wie der Onta zitternd in die Zimmerecke flüchtete, wusste Etienne, dass er sich richtig entschieden hatte.

    „Der Kerl hat eindeutig einen Treffer weg!“, meinte Ares mit Überzeugung. „Den meldest du besser, bevor er völlig durchknallt.“

    „Wem? Der Commandantin?“

    „Nein, die sperrt ihn bloß weg. Aber ignorieren kann man so ein Verhalten auch nicht.“ Er kratzte sich am Kinn. „Hm, ob er etwas gehört hat? Hat die Audioaufzeichnung etwas ergeben?“

    Etienne schüttelte den Kopf.

    „Dann melde ihn in der Klinik“, entschied Ares, „am besten dem Chef selbst. Die sollen ihn mal unter die Lupe nehmen.“ Er war schon wieder am Gehen, doch in der Tür blieb er noch einmal stehen. „Es wirkt, als ob er vor etwas fürchterliche Angst hätte“, sagte er, „und ich wüsste gern, was das ist.“ Er hob den Blick und sah Etienne ernst an. „Und zwar bevor er in den Lichtschacht springt.“ Dann ging er wirklich.

    Etienne starrte auf die Tür, die sich hinter seinem Freund geschlossen hatte. Er wusste, dass Ares dieser Onta-Selbstmord zu schaffen machte. Nicht weil es ihm um den Mann leidtat, der da seinem Leben ein Ende gesetzt hatte, sondern weil noch immer niemand herausgefunden hatte, wie es diesem gelungen war, das Material der Lichtsäule zu zerbrechen. Ein Werkzeug war bei dem Toten nicht entdeckt worden.
    Er wandte sich wieder seinem Tisch zu und stellte eine Verbindung zum Klinikleiter Dr. Witt her. Das schmale Gesicht des Niederländers tauchte fast sofort auf dem Monitor auf.

    Mit wenigen Worten erklärte Etienne sein Anliegen.
    „Der Mann war am Freitag zum Medi-Check hier“, hörte er den Arzt sagen. „Er gab an, keine Beschwerden zu haben, doch Dr. Milström ist der Meinung, dass er etwas verschwiegen hat. Es wurde eine zweite Untersuchung angesetzt, der Termin ist Freitag nächster Woche. Ich bitte Sie, bis dahin nichts zu unternehmen, es sei denn, Sie sind der Meinung, dass er eine Bedrohung darstellt.“
    Etienne überlegte einen Moment. „Was ist mit Tracking?“, fragte er dann.
    „Daran habe ich auch schon gedacht, doch ich finde, es ist noch zu früh für eine Vierundzwanzig-Stunden-Überwachung. Vielleicht hat er wirklich nur schlimme Träume.“
    „In Ordnung“, gab Etienne nach. „Auf Ihre Verantwortung, Doktor. Aber eines muss Ihnen klar sein: Sobald sich der Onta im öffentlichen Bereich auffällig verhält, wird sich die Garde seiner annehmen. Dann hat sich diese zweite Untersuchung erledigt.“
    „Das ist mir bewusst“, hielt der Arzt dagegen. „Trotzdem bleibe ich bei meiner Bitte.“
    „Dann möchte ich am Freitag Abend einen Bericht von Ihnen hören. Einen, der mir meine Bedenken nimmt.“ Etienne nickte Dr. Witt ernst zu, wünschte ihm einen guten Tag und trennte die Verbindung.
    „Tevor TwoFive-O“, murmelte er dann. „Verhalte dich ja ruhig. Sonst wirst du dein blaues Wunder erleben, mein Freund.“

    Hier geht's weiter

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    2 Mal editiert, zuletzt von Tariq (25. Dezember 2022 um 16:21)

  • Tariq

    Kann dem nur zustimmen, was Kirisha gesagt hat. Der arme Tevor. Ich hoffe es geht gut mit ihm aus. ;(

    Kleine Anmerkung
    Zitat

    Sonst interessierte sich Etienne nicht dafür, wie auffällige Ontas hießen. Hier hatte er den Computer anhand des Chips den Aufenthaltsort feststellen und sich danach aus einer Laune heraus den Namen anzeigen lassen.

    Ich weiß nicht, ob diese Erklärung unbedingt notwendig sind. Für mich ist es auch so nachvollziehbar, dass Etienne Informationen über einen auffälligen Onta einholt. Wenn es - wie du es so schreibst - nur aus einer Laune heraus geschieht, bekommt es auf einmal ein bisschen was von plot convenience.


    Das wäre das einzige was mir aufgefallen ist, ansonsten wieder ein sehr starkes und spannendes Kapitel :thumbsup:

  • Hi @Tariq,

    Tevor scheint immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und wieder wird der Onta erwähnt der Selbstmord begangen

    hat. Mein Hirn kommt da auf ein paar sehr unschöne Ideen.

    Möglicherweise bietet Tevors Akte auch noch die eine oder andere Überraschung.

    Insgesamt ein ebenso kurzes wie gelungenes Kapitel das zum spekulieren geradezu einlädt.

    Zum meckern hab ich nichts gefunden.

  • Antwortbox

    Herzlichen Dank euch Kirisha , Iskaral und Ichuebenoch , für euer Feedback. Freut mich zu hören, dass ihr euch Sorgen um Tevor macht.

    Iskaral, deine Anmerkung macht Sinn und ich ändere die Stelle ab. Sich aus einer Laune heraus den Namen anzeigen zu lassen, wäre möglich, wenn die Ontas generell eine Nummer hätten. Aber da Name und Nummer bei ihnen ja eine Einheit bilden, war meine Idee schlichtweg Blödsinn :rofl:

    So, heute erfahren wir mehr über euer Sorgenkind. Der Part ist etwas länger, war aber zu kurz für zwei Teile. Sorry :pardon:

    zum vorigen Teil


    ~~~ Kapitel 14 ~~~


    Kapitel 14 (1/1)

    Der Ypir öffnete die Tür zum Park und Tevor trat hindurch. Er sah sofort, dass er nicht allein war. Eine Onta lief mit gesenktem Blick die betonierten Wege entlang und auf einer der Ruheliegen saß ein Servicer im himmelblauen Overall.
    „Aufpassen!“, knurrte der Gardist warnend, bevor er die Tür wieder schloss, und Tevor beeilte sich, hastig zu nicken. Die Ermahnung war nicht nötig. Er würde gut darauf achten, der Onta nicht zu nahe zu kommen. Solange es nicht noch ein paar mehr wurden, war das kein Problem. Und den Freizeitbereich-Servicer auf der Liege musste er nicht –
    Erst jetzt sah er, dass es eine Frau war. Und noch mehr überrascht war er, als er sie erkannte: die Blonde vom Empfang bei BuyVis. Sie war ihm in Erinnerung geblieben. Besser gesagt ihr freundlicher Blick. Und dass sie sein zaghaftes Lächeln erwidert hatte.
    Normalerweise nahmen Servicer keine Notiz von Ontas. Sie waren Angestellte im Ring, er war ihre normale Arbeitsstelle, in der sie auch lebten. Ihre Quartiere befanden sich mit denen der Ypir-Gardisten im ersten Obergeschoss. Kontakte mit ihnen gab es deshalb selten.
    Dass die Frau ihm damals bei BuyVis ein Lächeln geschenkt hatte, war wie ein warmer Sonnenstrahl in sein Inneres gefallen. Noch oft hatte er daran gedacht und so manches Mal, wenn er einem Servicer in Himmelblau begegnet war, hatte er die leise Hoffnung gehegt, dass sie es sein könnte. Doch er war ihr nicht wiederbegegnet. Und heute, als er gar nicht daran dachte, traf er sie.
    Sie hatte ihn nicht bemerkt. Zurückgelehnt, den Kopf mit den geschlossenen Augen an das Polster gelegt, saß sie auf der Ruheliege.
    Stumm betrachtete er sie. Die schulterlangen blonden Haare waren im Nacken zusammengebunden. Der Overall ließ nicht viel von ihrer Figur sehen, aber Tevor konnte erkennen, dass sie etwas fülliger war als der Durchschnitt. Das gefiel ihm. Auch dass sie kleiner war als er und ...
    Ein mahnendes Räuspern hinter ihm ließ ihn erschrocken erkennen, dass der weibliche Onta in sicherem Abstand von ihm stehen geblieben war, weil er selbst noch immer neben der Tür zum Lauftunnel stand. Er war so in den Anblick der Frau auf der Liege versunken gewesen, dass er vergessen hatte loszulaufen.
    Hastig setzte er sich in Bewegung, ohne sich noch einmal umzusehen. Jeder Schritt trug ihn näher zu ihr hin und sie hatte die Augen immer noch geschlossen.
    Ob er es wagen konnte, irgendwie ihre Aufmerksamkeit zu erregen? Was würde sie denken? Sie war ein Servicer, er ein Onta. Die Kluft zwischen ihnen war unüberbrückbar. Und wie sollte er das anstellen? Ein Stolpern vortäuschen? Einen Laut von sich geben?
    Sie anzusprechen war undenkbar. Er glaubte förmlich vor sich zu sehen, wie sich ihr Gesicht danach veränderte. Von friedlich entspannt, wie es jetzt war, zu hochmütig und vielleicht sogar angewidert. Und wie sie sich dann vermutlich verächtlich abwandte. Er war ein Schwerverbrecher, der seine harte Bestrafung verdient hatte. Das Trinkwassersystem einer ganzen Stadt zu vergiften ... Wie viele Menschen waren aufgrund seiner Tat gestorben? Wie viele hatte er auf dem Gewissen? Er verstand nicht, wie er so etwas hatte tun können. Und gleichzeitig wunderte er sich, dass man ihn nicht hingerichtet hatte. Das Weiterleben mit dieser Schuld war wahrscheinlich als die härtere Strafe angesehen worden. Und für ihn war es das auch.
    Dieses winzige Lächeln von ihr damals bei seinem BuyVis-Besuch hatte ihn überrascht. Es war mehr gewesen, als er je vom Leben noch zu erwarten hatte. Sollte er wirklich versuchen, Kontakt aufzunehmen und damit riskieren, diese kostbare Erinnerung zu zerschlagen, indem er nichts anderes als Abscheu und Verachtung bei ihr auslöste?
    Während seiner Grübelei hatte er die Ruheliege erreicht und genau in diesem Moment hob sie den Kopf von der bequemen Rückenlehne und öffnete die Augen. Ihr Blick fiel auf ihn und sein Herz stockte für einen Augenblick. Was würde sie tun?
    Einen Moment lang sahen sie sich an. Tevor erschien die Zeit, in der er nur einen Schritt machte, wie eine Ewigkeit. Und plötzlich lächelte er. Ohne zu überlegen. Es war dasselbe zaghafte Lächeln, das er ihr zugeworfen hatte, als er damals nach seinem Besuch den Vorraum von BuyVis verlassen hatte. Atemlos wartete er auf ihre Reaktion.
    Sie lächelte zurück. Kaum merklich, genau wie damals. Und sie blieb sitzen, auch als er an ihr vorbeigegangen war. Weder war sie empört aufgesprungen noch hatte sie ihn angefahren, was er sich einbilden würde.
    Warmes Glücksgefühl durchrieselte ihn. Sie hatte ihn erneut angelächelt und das hatte irgendetwas in ihm geweckt. Er war versucht, wilde Freudensprünge zu machen und bezähmte seine Aufregung nur mit Mühe. Eine ganze Runde musste er jetzt noch zurücklegen, bis er sie erneut erreichte. Und seine Zeit lief erbarmungslos ab. Wie viele Minuten hatte er vergeudet, indem er reglos dagestanden, sie angestarrt und sich ausgemalt hatte, wie sie reagieren würde?
    Er lief schneller, doch er behielt die Onta im Blick. Ihr durfte er nicht zu nahe kommen. Und als wäre das nicht genug, öffnete sich die Tür zu den Lauftunneln und ein dritter Onta betrat den Park. Jetzt wurde es eng. Aber Tevor straffte sich entschlossen. Er würde nicht freiwillig gehen. Es war möglich, sich zu bewegen, ohne das Sicherheitssystem aufmerksam zu machen. Eine kurze Begegnung an einer Kreuzung der Parkwege war erlaubt und stehen bleiben ebenso, solange der Abstand gewahrt wurde. Das Zauberwort hieß ‚unauffällig‘.
    Erneut näherte er sich der Ruheliege. Sein Herz klopfte. Nicht wie letzte Woche in der Nacht, in der er glaubte, dass jemand in seiner Zelle war. Es war Freude. Und Aufregung, die ihn ergriffen hatte, wie als ...
    Der scharfe Schmerz schien seinen Schädel sprengen zu wollen. Unbewusst fuhren seine Hände nach oben und begleitet von einem unterdrückten Ächzen pressten sich seine Finger gegen die Schläfen, als könnten sie die Pein auf diese Weise mildern. Nach zwei Sekunden war es vorbei. Es hatte ihn enorme Mühe gekostet, weiterzulaufen. Vorsichtig atmete er tief durch, seine Arme sanken herab und er öffnete die zusammengekniffenen Lider, um zu sehen, ob sie etwas bemerkt hatte.
    Sie sah ihn nicht an. Ihr Blick war auf ein Gebüsch gegenüber der Liege gerichtet. Aber als er sich ihr erneut näherte, sah er, dass ihre Mundwinkel sich leicht kräuselten. Sie wusste, dass er gleich wieder an ihr vorbeigehen würde.
    Was sollte er tun? Neben einem Servicer stehen zu bleiben, war nicht verboten. Doch es würde die Aufmerksamkeit des Ypirs von der Eingangstür erregen. Und setzte er sich gar neben sie, wäre der Gardist in Nullkommanichts hier, um die Frau vor einem eventuellen Angriff zu beschützen. Alles außer ununterbrochenem Im-Kreis-Laufen machte Ontas verdächtig. Auch ein Gespräch mit ihr beginnen durfte er nicht. Das würden die Kameras bemerken. Um keinen Preis wollte er auffallen oder gar sie in Gefahr bringen. Er entschied sich deshalb, wieder vorbeizugehen und nicht anzuhalten. Aber irgendetwas musste er tun! Würde ein geflüstertes Hallo sie erreichen? Oder sollte er sich mit einem zweiten Zulächeln begnügen? Die Hand leicht heben, wie um einen Gruß anzudeuten? Nein, das schied aus. Man konnte es deutlich sehen. Also was? Er kam ihr immer näher und konnte sich nicht entscheiden zwischen Lächeln und Sprechen. Im Sichtfeld seines gesenkten Blickes tauchte das Fußende ihrer Ruheliege auf. Jetzt!, brüllte er sich in Gedanken an, tu irgendwas!

    „Mein Name ist Tevor“, stieß er hervor, leise und ohne sie anzusehen. Und schon hatte er die Liege passiert. Hastig warf er einen Blick zur Eingangstür. Der Gardist sah nicht in seine Richtung, sondern dorthin, wo die Onta lief. Niemand hatte etwas bemerkt. Kein Warnbrennen, kein Auftauchen eines zweiten Gardisten, der ihn abholen und wegbringen würde. Nein, er war mutig gewesen und dieser Mut war belohnt worden. Vier Worte, nicht eines, wie eigentlich geplant! Vier Worte und niemand hatte etwas bemerkt. Ja war er denn völlig übergeschnappt? Was tat er hier?! Doch er konnte nicht anders: Dieser Erfolg feuerte ihn an. Noch eine Runde! Hoffentlich ging ihm die Zeit nicht aus. Er wollte unbedingt sehen, wie seine Worte bei ihr angekommen waren. Ein Lächeln zu erwidern, war eine Sache, aber von einem Onta ohne Grund angesprochen zu werden ...
    Als er die Hälfte der Runde geschafft hatte und die Liege wieder in sein Sichtfeld geriet, sah er, dass sie noch da saß. Sie war also erneut nicht aufgestanden und gegangen.
    Einen kurzen Blick warf er auf die beiden anderen Onta, die mit im Park waren. Die Frau wurde gerade vom Ypir an der Tür nach draußen gewinkt. Eine weniger. Der Mann war in sicherer Entfernung.
    Seine Füße trugen ihn mit jedem Schritt näher zu der Blonden hin. Sie hatte den Blick noch immer auf die Büsche gerichtet und er begann sich Details ihres Äußeren einzuprägen. Das runde Gesicht, die leichte Stupsnase, die kleinen Ohren, die üppige Oberweite. Alles, was er sah, gefiel ihm.
    Noch drei Schritte, noch zwei ...
    „Ich bin Thilia“, hörte er sie leise sagen, als er vorüberging.
    Es kostete ihn diesmal weit mehr Mühe, gelassen und mit ausdrucksloser Miene weiterzulaufen, als bei ihrem Lächeln vorhin. Die Freude drohte ihn zu überwältigen, doch das durfte er nicht zeigen. Die Kameras sahen alles.
    Als der Ypir an der Tür ihm abwartend entgegensah, wusste Tevor, dass sein Parkausflug beendet war. Über den irritierten Blick, mit dem der Gardist auf sein strahlendes Lächeln reagiert hatte, lachte er noch am Abend in seiner Zelle.
    Der Kopfschmerz war vergessen.

    Hier geht's weiter: Kapitel 15 (1/1)

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    6 Mal editiert, zuletzt von Tariq (27. Juni 2023 um 12:13) aus folgendem Grund: gekürzt und ergänzt