Es gibt 596 Antworten in diesem Thema, welches 53.226 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Mai 2024 um 10:00) ist von Tariq.

  • Ein Hallo an meine Leser aus dem Urlaub ...

    ... in dem ich leider immer nur für ein paar Sekunden WLAN am Laptop habe. :cursing: Deshalb gehe ich jetzt auch nicht auf eure Kommis ein (ist blöd am Handy), sondern lass euch nur mal schnell noch den Rest von Kapitel neun da. Alles weitere später, wenn ich wieder zu Hause und am Netz bin.

    alte Version

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    Kapitel 9

    (2/2)

    Etwa zur selben Zeit stand die Ärztin Emma Milström vor der Tür des Klinikleiters. Sie hatte lange gezögert, zu ihm zu gehen, doch letzten Endes keine andere Möglichkeit gesehen. Noch einmal atmete sie tief durch und nach dem Scannen ihres Chips glitt lautlos die Tür auf.

    Julian van Witten hob den Kopf vom Bildschirm. „Doktor Milström? Was führt Sie so früh zu mir?“

    „Ich fürchte, ich bin da auf etwas Beunruhigendes gestoßen.“ Emma trat näher und hielt ihm ihr Datenpad entgegen.

    Er nahm es und sah sie verwundert an. „Um was geht es?“

    „Schauen Sie sich die Ergebnisse dieser Untersuchung an und achten Sie besonders auf die Aufzeichnung der Gehirnströme.“

    Während der Klinikleiter die Daten studierte, musterte sie ihn unauffällig. Der Niederländer war groß und schlank, mit vollem Haar und gepflegtem Dreitagebart. Ein Mittvierziger, von dem man nachts träumen konnte. Aber Emma machte sich nichts vor. Sie war eine von vielen, die ihn anziehend und interessant fanden, das sah sie an den Blicken, die ihm in der Servicer-Cantina folgten.

    Komm zu dir, mahnte sie sich, jetzt ist nicht der Moment zum Schwärmen!

    Julian war fertig. Seine hohe Stirn hatte sich in Falten gelegt und die Augen waren ein wenig zusammengekniffen.

    „Von wann ist das?“, wollte er wissen.

    „Freitag, am späten Nachmittag. Ich hatte es Ihnen schon am Abend zeigen wollen, doch da war die lange OP dazwischengekommen.“

    „Richtig“, erinnerte sich der Mediziner.

    „Was sagen Sie dazu?“

    Julian lehnte sich zurück. „Bedenklich. Hat der Onta über Beschwerden geklagt?“

    Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn nach der Untersuchung extra noch einmal danach gefragt, doch er verneinte. Trotzdem wirkte er verschüchtert, fast ängstlich. Sehen Sie die Vitalparameter? Er hat geschwitzt, sein Puls war deutlich erhöht. Außerdem konnte er mir kaum in die Augen schauen. Ich vermute, er hat mir etwas verschwiegen. Es war sein erster Routine-Check, seit er im Ring ist. Und das sind drei Jahre.“

    Julian nickte langsam. „Ich kann diese Spitzen hier“, er tippte mit dem Finger auf das Pad, „hier und hier nicht einordnen. Sind das Anzeichen für Schmerzen? Hat er gezuckt bei der Aufzeichnung?“

    „Mir ist nichts aufgefallen. Aber ich habe ihn auch nicht ununterbrochen beobachtet.“

    Er reichte ihr das Datenpad zurück. „Bestellen Sie ihn in zwei Wochen noch mal her. Vielleicht war es eine einmalige Sache und er war wirklich nur aufgeregt. Ansonsten müssen wir davon ausgehen, dass bei seinem Aufnahme-Medi-Check etwas schiefgegangen ist.“

    „Das macht sich erst jetzt bemerkbar? Nach drei Jahren?“

    Er hob die Schultern. „So etwas ist noch nie aufgetreten. Wenn sich in vierzehn Tagen dieselben Ergebnisse zeigen, werden wir einen Tracker auf ihn ansetzen lassen.“

    Unbehaglich kaute Emma auf der Unterlippe. Ein Tracker, das bedeutete Dauerüberwachung einer Person im Ring, egal welchen Status sie besaß. Und zwar durch einen Sicherheits-Servicer, nicht durch eine Kamera. Derartiges wurde nur bei Gefahr angeordnet. Julian hatte es bisher erst einmal in Auftrag gegeben, bei einem Onta, der zu Wut- und Gewaltausbrüchen neigte.

    „Vielen Dank, Emma, gut, dass Sie damit hergekommen sind.“ Er nickte ihr zu.

    Sie erwiderte sein Nicken und wandte sich zum Gehen. Ein ungutes Gefühl hatte sich ihrer bemächtigt. Wenn die Ergebnisse beim nächsten Check wieder so waren, hatte sie diesen Onta gerade der totalen Kontrolle ausgeliefert. Kameras und Chips meldeten sich erst, wenn sich der Beobachtete auffällig verhielt oder gegen die Regeln verstieß. Doch mit einem Tracker würde sich der Onta faktisch unter einem Mikroskop befinden, ohne es zu wissen.

    Es ist nötig, beschwichtigte sie ihre Bedenken. Eine derart abweichende Aufzeichnung kann auf alles Mögliche hinweisen. Sie hoffte, dass bei der nächsten Untersuchung Entwarnung gegeben werden konnte und Julian nicht zu diesem Schritt gezwungen war. Den gewalttätigen Onta von damals hatte sie danach nicht mehr in der Datenbank finden können.

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    Hier geht's zu Kapitel 10

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    3 Mal editiert, zuletzt von Tariq (27. September 2022 um 20:22)

  • Yeah, ich hab WLAN heute. Deshalb will ich gleich noch auf eure Kommis eingehen. ^^ Wie immer herzlichen Dank für euer andauerndes Interesse und euer hilfreiches Feedback.

    Antwortbox

    Ja - so wirkt das besser... :) (Ich hab' halt ein Faible fuer psychologische Zeichnung von Figuren...) Super, das freut mich.

    Darf ich an der Stelle erwaehnen dass ich ungern ueberarbeitete Abschnitte nochmal kommentiere? Es kommt mir dann irgendwie vor als waeren das Hausaufgaben die nochmal vorgelegt werden, und so ein Setting ist mir eher unangenehm - ich trau' Dir schon zu dass Du aus meinem ersten Kommentar was sinnvolles ziehst und machst :)

    Alles klar. :thumbup: Obwohl ich schon gern wüsste, ob du mit den Änderungen so leben kannst, die ich auf deine Anmerkungen hin mache. Aber in Ordnung, dann lass ich dich künftig damit in Ruhe. :rofl:

    Den Abschnitt konnte man gut lesen fand ich. Da ist man natürlich neugierig, was Fridas Spiel ist. Vielen Dank! :)

    Irgendwie passt der zweite Satz sprachlich nicht zum ersten. Ich hätte sowas erwartet, wie "Hat sie sich die Aufzeichnung etwa noch nicht angeschaut? Coholt hätte längst bestraft werden müssen." oder so.

    Das habe ich etwas angepasst. Sie hat es sich in Ares' Beisein angeschaut. Also er weiß, dass sie die Szene gesehen hat und fragt sich, warum sie nichts unternimmt. Hoffe, das passt so besser.

    Zitat von Novize

    Ich finde da passen Etiennes Einschätzungen irgendwie nicht zusammen.

    Stimmt. Auch hier habe ich angepasst.

    Der Gedanke scheint mir in der Situation unpassend.

    Jepp, stimmt auch. Der Satz hat mir ebenfalls nicht gefallen. :patsch: Ich hab es geändert in:

    "Schach, registrierte er verblüfft, die schwarze Dame hat mir Schach geboten.

    Das alte Spiel schien ihm der perfekte Vergleich zu sein. Frida hatte also ihren Zug getan. Doch sie war noch weit davon entfernt, ihn mattzusetzen."

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Tariq

    Vielleicht geniesst Du mal Deinen Urlaub 8) statt hier mit Texten und Kommentaren zu arbeiten :D ?

    Der neue Abschnitt wirkt sehr authentisch - viel Erfahrung wie Aerzte so reden merkt man da raus. Gefaellt mir, das hat fuer meine Begriffe genau die richtige Mischung an Atmosphaere, Tempo und kurzen Schlaglichtern auf die beteiligten Personen.

  • Liebe Tariq !

    Ich schließe mich Thorsten an, mach mal lieber Ferien :) Obwohl ich deinen neuen Abschnitt sehr genossen habe. Da hab ich gar nichts zu meckern!

    Spoiler anzeigen

    Der aktuelle Abschnitt erinnert mich fast ein bisschen ans Thriller/Krimi-Genre, wenn sich irgendwelche Gerichtsmediziner unterhalten oder so. Emma scheint eine nachvollziehbare Person zu sein. Ich frage mich ein bisschen, wie lange der "Ring" als System schon existiert. Die totale Kontrolle und Überwachung sollte - je länger das System schon etabliert ist - ja allen Leuten normal und wahrscheinlich angebracht vorkommen (entsprechend Propaganda o.ä.). Aber Emma zweifelt ja doch, genau wie Ares. Klar, in jedem System gibt's Widerständige...

    und der letzte Satz hat mir eine Gänsehaut beschert. Ich nehme mal an, Emma weiß genau, was das Nicht-Auffinden in der Datenbank bedeutet...

    Schönen Urlaub dir noch! :party2:

    Was ich schreibe: Eden

  • Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen, was die allgemeinen Kommentare zum neuen Abschnitt angehen. Hat mir gut gefallen! Meine Anmerkungen daher eher Kleinigkeiten:

    Spoiler anzeigen

    „Doktor Milström? Was führt Sie so früh zu mir?“

    „Vielen Dank, Emma, gut, dass Sie damit hergekommen sind.“

    Ich weiß, dass beide Formen der Anrede verwendet werden (Vorname + Sie und Nachname + Sie). Was ich nicht kenne ist, dass man es vermischt. Kann aber sein, dass es Regionen gibt, wo man das so macht.

    Wenn sich in vierzehn Tagen dieselben Ergebnisse zeigen, werden wir einen Tracker auf ihn ansetzen lassen.

    Das ganze Vorgehen scheint allgemein sehr sinnvoll. Was ich allerdings erwartet hätte ist, dass man zunächst die Daten auswertet, die es schon gibt. Und da wiederum hätte ich erwartet, dass die Szene in Tevors Schlafzimmer, wo auch der Computer sich eingeschaltet hat, den Medizinern zur Verfügung steht und auch irgendwie als Anomalie gehighlightet wurde.

  • So, mein Urlaub ist vorbei. Zurück zur harten Realität. || Danke für eure fürsorglichen Ermahnungen, Thorsten und Stadtnymphe ^^

    Vielen Dank wie immer für's Weiterlesen und euer Feedback! Hat mich diesmal besonders gefreut, weil es wenig zu ändern gab :panik:

    Antwortbox

    Ich weiß, dass beide Formen der Anrede verwendet werden (Vorname + Sie und Nachname + Sie). Was ich nicht kenne ist, dass man es vermischt. Kann aber sein, dass es Regionen gibt, wo man das so macht.

    Hm, hier wollte ich was gaaaaanz Tolles machen. Ich wollte zeigen dass es hier um die Ärztin geht, die Tevor untersucht hat, und gleichzeitig aber auch klarstellen, dass Klinikleiter und sie ein richtiges Kollegenverhältnis haben. Also sich beim Vornamen nennen.

    Aber du hast recht, beides zu verwenden, kommt nicht gut. Ich habe es jetzt so abgeändert, dass noch ein Servicer im Raum ist, als Emma hereinkommt, und Julian sie erst beim Vornamen nennt, als der gegangen ist. So müsste es besser passen.

    hätte ich erwartet, dass die Szene in Tevors Schlafzimmer, wo auch der Computer sich eingeschaltet hat, den Medizinern zur Verfügung steht und auch irgendwie als Anomalie gehighlightet wurde.

    Das ist ein gute Gedanke. Das kann ich problemlos einfügen, macht wirklich Sinn. Danke! :thumbsup:

    alte Version

    So. Kapitel 10 ist ein kurzes. Holt nochmal tief Luft, denn dann geht es zur Sache.

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    Kapitel 10

    (1/1)

    Tevor lief mit raschen Schritten in Richtung der BuyVis-Kuppel. Am liebsten wäre er gerannt, doch dann würden innerhalb kürzester Zeit zwei Gardisten vor ihm stehen. Also zwang er sich, langsamer zu laufen. In den Tunneln des Innenbereiches herrschte eine angenehme Temperatur und trotzdem wischte er sich immer wieder den Schweiß von der Stirn. Dreimal hatte er sich bereits verstohlen umgesehen, obwohl er wusste, dass er sich damit verdächtig verhielt und erst recht Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte.

    Da vorn war der Korridor. Er sah die weiße Kuppel im Sonnenlicht durch die transparenten Tunnelröhren gleißen. Noch zwanzig Schritte. Lauf langsamer, mahnte er sich selbst.

    Diese seltsamen Dinge, die in letzter Zeit geschehen waren, hatten sich wiederholt. Manchmal auch dieser heftige, aber kurze Kopfschmerz. An seinem Arbeitsplatz passierte es am häufigsten und nachts im Bett, wenn er aufwachte, weil sich dieser Körper an ihn schmiegte. Die Angst vor dem einsetzenden Schmerz der Bestrafung ließ ihn jedes Mal aufspringen und aus dem Schlafzimmer stürzen, bevor er richtig wach werden und erkennen konnte, dass da niemand war. Er traute sich inzwischen kaum noch, schlafen zu gehen. Die Müdigkeit machte ihn unaufmerksam und unkonzentriert und wenn er in den Spiegel sah, starrte ihm ein hohläugiges, graues Zerrbild seiner vertrauten Züge entgegen. Ob die Kameras so etwas bemerkten? Wenn sich ein Gesicht veränderte?

    Bis gestern hatte er gehofft, dass sie nicht dazu in der Lage waren. Doch dann hatte der Computer heute Morgen verkündet, dass er sich nach der Schicht zu einem erneuten Medi-Check in der Klinik einfinden sollte.

    Angst hatte ihn befallen, die sich beinahe zur Panik steigerte. Was bedeutete das? Der letzte Check lag gerade mal zwei Wochen zurück. Hatte die Ärztin doch etwas gefunden und es ihm verschwiegen? War er krank?

    Auf dem Weg zu seiner Arbeit in der fünften Unterebene hatte er das Gefühl gehabt, dass ihn jeder, der ihm entgegenkam, anstarrte. Er war an dreien der fünf Lifte vorbeigegangen, weil an ihnen andere Ontas warteten. Während seiner Schicht hatten seine Hände so gezittert, dass er mehrmals die falsche Taste auf dem Datenpad erwischte. Und immer wieder war die Frage in seinem Kopf aufgetaucht, was man bei dem zweiten Termin mit ihm anstellen würde.

    Jetzt war Nachmittag und die Untersuchung lag hinter ihm. Eigentlich hätte er über seine Angst lachen müssen. Alles war wie beim letzten Mal gewesen. Selbst den Helm hatte er diesmal ohne Panikattacke geduldet. Und man hatte ihn zum zweiten Mal einfach so wieder gehen lassen.

    Doch er lachte nicht. Ein ungutes Gefühl war geblieben. Ich habe der Ärztin erneut nichts von den Vorfällen erzählt, hatte er gegrübelt, als sich die Tür zum Kliniksektor hinter ihm geschlossen hatte. Aber vielleicht muss ich das auch gar nicht. Ich könnte erst einmal versuchen, selbst herauszufinden, was mit mir los ist, bevor sie mich auseinandernehmen in dieser Klinik. Oder mich für verrückt erklären. Am besten beginne ich dort, wo alles angefangen hat.

    Und deshalb war er jetzt unterwegs zu BuyVis. Er hatte noch keine Idee, was genau er dort tun sollte. Gezielt zu fragen war ein immenses Risiko. Was, wenn der Onta von BuyVis nicht bereit war, seine Fragen zu beantworten, und ihn rauswarf? Oder schlimmer: Was, wenn er stattdessen die Garde rief? Vielleicht ist ja die Blonde wieder da, versuchte er seine Bedenken zu beschwichtigen. Vielleicht redet sie mit mir. Immerhin hat sie gelächelt beim letzten Besuch.

    Als sich die Tür am Ende des Korridors vor dem Kuppelgebäude öffnete, sah sie auf. Der Onta mit dem Wald-Wunsch kam herein. Er war ihr in Erinnerung geblieben mit seiner Schüchternheit und Freundlichkeit.

    „Was darf’s sein?“, fragte sie und registrierte das kurze Aufleuchten in seinen Augen, als er sie entdeckte. Er hatte sie also auch wiedererkannt.

    Zaghaft trat er näher. „Wie viele Credits benötige ich für eine halbe Stunde in den Bergen? Ich muss dich was fragen.“

    Sie stutzte. Sein zweiter Satz war so leise gekommen, dass sie ihn fast nicht verstanden hatte. Doch das hatte sie. Und der Schreck ließ ihr Herz schneller schlagen. Was tat er da?! War er auf Ärger mit der Garde aus?

    Für einen winzigen Moment streifte ihr Blick die Kamera über der Tür. Das schwarze Auge konnte seinen Mund nicht sehen, weil er ihm den Rücken zuwandte. Ihren jedoch schon. Sollte sie auf seinen letzten Satz eingehen? Nein, entschied sie, es ist lebensmüde, im Sichtbereich der Kamera eine Unterhaltung zu beginnen.

    „Fünf“, antwortete sie steif.

    Offensichtlich erkannte er ihre Zurückhaltung. Doch er ließ nicht locker. „Und was kann man noch für fünf Credits bekommen? Hatte schon mal jemand Schmerzen bei der Vision?“ Wieder war seine erste Frage laut und deutlich gewesen und der Nachsatz nur gemurmelt.

    Schmerzen? Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie kam er auf die Frage? War beim Abspielen seiner gebuchten Vision was passiert? Gab es Unregelmäßigkeiten? Waren ihre Kunden vielleicht gar in Gefahr? Dann musste er sich offiziell beschweren und sie war verpflichtet, Kabine und Helm zu sperren und eine Untersuchung zu beantragen.

    Schon öffnete sie den Mund, um ihm genau das zu sagen. Da erkannte sie seinen flehenden Blick. Er wollte es nicht an die große Glocke hängen. Und obwohl sie diese Heimlichtuerei nicht guthieß und obwohl das Risiko für sie viel höher war als für ihn, spielte sie sein Spiel mit. Mit einem unverbindlichen Lächeln wies sie auf die Wand mit dem Auswahl-Pad. „Schau dort, da findest du alles. Soviel ich weiß - nein.“ Sie hatte bewusst den Arm beim Zeigen so weit gehoben, dass er ihren Gesichtsbereich verdeckte, als sie den zweiten Satz anfügte.

    Er drehte sich um, ging zum Pad und musterte es. Dann kehrte er zu ihrer Kabine zurück. „Ich habe sechs Credits. Mir ist es passiert. Was bekommt man dafür? Wie ein Blitzeinschlag im Kopf. Steht das hier mit drauf? Und seitdem immer wieder.“ Er deutete ebenfalls auf das Pad.

    Was kann das sein, überlegte sie? So etwas hat noch niemand erzählt. Schmerz, Blitzeinschlag ... Ich muss sofort den Helm austauschen!

    Lächelnd nickte sie. „Such dir was aus, dann buchen wir ab. Vielleicht bist du krank.“ Sie wies auf seine Hand und danach auf den Scanner, wobei sie geschickt den Kopf ein wenig drehte. Ob ihre kleine Vorführung überzeugen konnte, würde sich herausstellen. Aber der Onta hatte das klug angefangen. Sie durften nicht einfach still stehen und sich unterhalten.

    „Ich überlege es mir. Mir geht’s gut“, gab er zurück. „Und wenn ich sieben Credits habe? Was kann das gewesen sein?

    Genug jetzt. Er übertrieb. Sie begann unruhig zu werden. „Noch hast du nur sechs“, erinnerte sie ihn, „Vielleicht verdienst du erst mal noch einen weiteren?“ Erneut lächelte sie, doch sie musste sich dazu zwingen. „Geh jetzt!“, raunte sie drängend und mit gesenktem Kopf. Ihre Lippen hatten sich kaum bewegt. „Ich tausche den Helm aus. Komm doch in einer Woche nochmal her.“ Sie sah ihn eindringlich an, so lange, bis sie sicher war, dass er die Botschaft ‚Nicht eher!‘ in ihrem letzten Satz verstanden hatte.

    „Gut, nächste Woche mit sieben Credits. Mein Name ist Tevor.

    Thilia.“ Ihre Antwort war kaum zu verstehen und sie lächelte nicht, als er sich zum Ausgang wandte.

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    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    5 Mal editiert, zuletzt von Tariq (27. September 2022 um 20:23) aus folgendem Grund: Gemäß den Vorschlägen editiert

  • Doch er lachte nicht. Ein ungutes Gefühl war geblieben, denn er hatte der Ärztin erneut nichts von den Vorfällen erzählt.

    Er musste sich Klarheit darüber verschaffen, was mit ihm los war. Und weil der Schmerz, mit dem alles angefangen hatte, bei BuyVis zum ersten Mal aufgetreten war, hatte er beschlossen, dort zu beginnen.

    Eher direkt zu seinen Gedanken machen und ausfuehren als aus dritter Perspektive erzaehlen wuerde ich sagen... das ist schon wichtig.

    Hier würde mich interessieren, wie der Dialog zwischen Tevor und Thilia wirkt.

    Meine Hauptfrage ist- warum macht sie die Sache mit? Hat sie keine Angst? Ein netter Twist um das zu erklaeren waere, die Szene aus ihrer Sicht zu schreiben, denn ihr gehen bestimmt ganz viele ganz interessante Gedanken durch den Kopf wenn sie sich drauf einlaesst, Tevor hat das ja schon vorueberlegt, sie muss aber spontan reagieren.

    Ansonsten.... wie authentisch muss so ein doppelboediger Dialog wirken? Es wirkt kuenstlich wie sie sich offen unterhalten - weil es halt kuenstlich ist.

  • Den Dialog finde ich insgesamt gelungen. Die Idee und Umsetzung ist gut. Wenn man wollte, könnte man noch einstreuen, dass sie sich während des Murmelns von der Kamera weg drehen, scheinbar zufällig den Mund mit den Händen verdecken, oder irgendwelche anderen Ablenkungsmanöver unternehmen. Die Hauptfrage, die mir durch den Kopf ging ist, warum Tevor jetzt mit eigenmächtigen Ermittlungen begonnen hat, gegenüber der Ärztin aber widerholt nichts gesagt hat. Zunächst dachte ich er verdrängt, dass etwas nicht stimmen könnte - das passt aber nicht zu seinen Ermittlungen. Dazu könnte wiederum passen, dass er der Ärztin nicht traut - nicht ganz zu Unrecht, wie wir als Leser wissen. Aber diese Motivation lese ich aus dem Text nicht so wirklich heraus. So wie ich ihn "kennen gelernt habe", ist Tevor recht paranoid, dass ihn jemand beim falschen Verhalten erwischen könnte. Hier scheint er aber sehr entschlossen seine gewagten Ermittlungen durchzuziehen. Vielleicht könnte man deutlicher machen, wie sich dieser Wandel vollzogen hat.

    „Und was kann man noch für fünf Credits bekommen? Ist bei jemandem schon einmal ein starker Schmerz während der Vision aufgetreten?“

    Insgesamt finde ich die Länge der "gemurmelten" Sätze gut gewählt. In diesem Fall ist es für meinen Geschmack gegenüber dem "offiziellen" Satz zu lang geraten. Könnte man ihn irgendwie aufteilen? (hab leider grad keine Idee wie :))

  • Hey Tariq :)

    Wie du bemerkt hast, bin ich auch mal (endlich) in deine Geschichte eingestiegen. Vorweg muss ich sagen, dass Sci-Fi nicht ganz mein Ding ist, also kann ich vermutlich wenig Sinnvolles beitragen.

    Deinen Einstieg in die Geschichte, das weißt du ja bereits, fand ich ziemlich gelungen und mich hat es sofort gefesselt. Ich wollte einfach wissen, was da genau passiert ist und was das mit der Folgehandlung zu tun hat. Sehr spannender Prolog auf jeden Fall :)

    Auch deine Geschichte danach verheißt Vielversprechendes. Das ganze System stinkt nach Intrigen und Korruption. Offenbar scheint da auch irgendwas nicht ganz sauber abzulaufen ... zumindest zweigt das der Tevor-Handlungsstrang (btw. Lese ich da etwa die eigene Begeisterung zum Wald heraus :D ). Wobei ... wenn es wird, wie ich es denke, wird mir bestimmt Etiennes Perspektive am Besten gefallen. Aber mal schauen :P

    Auch wenn Ares es mir auch irgendwie angetan hat, der Typ scheint ziemlich unzufrieden zu sein :hmm:

    Zwischenzeitlich hatte ich leider das Gefühl, dass du ziemlich durch die Handlung gerast bist. Ich weiß nicht, ob nur mir das so vorkam, aber hier und da hätte ich mir eine Intensivierung der Szene gewünscht. Aber ich will mal schauen, wohin sich die Geschichte entwickelt ^^

    Ein paar Sachen haben mir jedoch auch sehr gut gefallen. Der Schlagabtausch zwischen Ares und Frida sowie die wunderbaren Szenen mit Tevor und seiner Liebe zum Wald. Das war schön!

    Eine kleine Sache habe ich noch, wo ich verwundert die Stirn gerunzelt habe. Etienne hat zufällig gesehen, wie ein Schlägertrupp einen Onta zu Brei verarbeitet hat. Ich hatte mir überlegt, ob es nicht besser wäre, wenn Etienne vielleicht gerade aktiv an den Bildschirmen arbeitet (stichprobenartige Kontrollen oder so). So, wie es jetzt ist, ist das schon arg zufällig :thinking:

    Ansonsten sind meine Daumen oben :)

    LG

  • Antwortbox

    Den Dialog finde ich insgesamt gelungen. Die Idee und Umsetzung ist gut. Wenn man wollte, könnte man noch einstreuen, dass sie sich während des Murmelns von der Kamera weg drehen, scheinbar zufällig den Mund mit den Händen verdecken, oder irgendwelche anderen Ablenkungsmanöver unternehmen. Hab ich gemacht. Die Hauptfrage, die mir durch den Kopf ging ist, warum Tevor jetzt mit eigenmächtigen Ermittlungen begonnen hat, gegenüber der Ärztin aber widerholt nichts gesagt hat. Zunächst dachte ich er verdrängt, dass etwas nicht stimmen könnte - das passt aber nicht zu seinen Ermittlungen. Dazu könnte wiederum passen, dass er der Ärztin nicht traut - nicht ganz zu Unrecht, wie wir als Leser wissen. Aber diese Motivation lese ich aus dem Text nicht so wirklich heraus. So wie ich ihn "kennen gelernt habe", ist Tevor recht paranoid, dass ihn jemand beim falschen Verhalten erwischen könnte. Hier scheint er aber sehr entschlossen seine gewagten Ermittlungen durchzuziehen. Vielleicht könnte man deutlicher machen, wie sich dieser Wandel vollzogen hat. Ich hab versucht, das einzufügen. Weiß nicht, ob es mir so richtig gelungen ist.

    „Und was kann man noch für fünf Credits bekommen? Ist bei jemandem schon einmal ein starker Schmerz während der Vision aufgetreten?“

    Insgesamt finde ich die Länge der "gemurmelten" Sätze gut gewählt. In diesem Fall ist es für meinen Geschmack gegenüber dem "offiziellen" Satz zu lang geraten. Könnte man ihn irgendwie aufteilen? (hab leider grad keine Idee wie :)) Den hab ich etwas gekürzt.

    So, dann mal weiter.

    alte Version

    Kapitel 11

    (1/3)

    Zwei weitere Wochen waren vergangen, ohne dass etwas passierte, und Ares‘ Ungeduld und Zorn hatten mit jedem Tag zugenommen. Für ihn stand fest, dass Frida nicht die Absicht hatte, Dwayne zu bestrafen.

    Doch damit sollten weder sie noch der Prügel-Axiom durchkommen. Er überlegte, was er tun konnte. Fridas Vorgesetzte befanden sich im Marinestützpunkt auf Pitcairn, aber hier im Ring geschah alles nach dem Willen seines Vaters und nichts ohne dessen Segen. Er war sicher, dass der Kyrios trotz seiner Härte für Recht sorgen würde.

    Recht! Für den totgeschlagenen Onta kam es zu spät! Bei Vergehen hatte eine Bestrafung des Täters zu erfolgen. Das galt für alle im Ring, auch für Axiome. Sie trugen hohe Verantwortung, ihre ethischen Grundsätze mussten über jeden Zweifel erhaben sein. Und seine Meinung über Dwaynes und Fridas Moral war gerade ins Bodenlose gesunken.

    Er tippte auf dem Datenpad das Symbol seines Vaters an und verabredete sich mit ihm für den späten Nachmittag. Vorher – so nahm er sich vor – würde er sich gut überlegen, was er sagte. Metros kannte Frida nicht so wie er selbst. Vor ihrem Kyrios katzbuckelte sie und gab sich übertrieben loyal. Aber ihn konnte sie nicht täuschen. Diese Frau war eine Hyäne, die sich nur um das scherte, was ihren Interessen diente. Und anscheinend zählte Coholt dazu. Vielleicht war an den Gerüchten ja doch etwas dran und Dwayne wärmte der Commandantin das Bett.

    Nach dem Ende seiner Schicht machte er sich auf den Weg zum Quartier seines Vaters. Es war wie sein eigenes in der zweiten Unterebene und nicht weit von diesem entfernt.

    Die hier noch strengeren Sicherungseinrichtungen hatten ihn passieren lassen und die Tür zur Wohneinheit des Kyrios glitt auf, nachdem er seinen Chip an das Scanfeld gehalten hatte. Er trat ein und legte die Handschuhe auf ein kleines Bord neben dem Eingang.

    „Es ist lange her, dass du mich mit einem Besuch beehrt hast.“ Metros stand in dem Durchgang zu dem geräumigen Wohnraum, in jeder Hand ein Glas haltend. Leise Musik spielte im Hintergrund.

    Klassik, registrierte Ares, wie er sie selbst gern mochte. Er nahm seinem Vater den Drink ab und schnupperte. Ein Gambrazzo. Überrascht nippte er, nachdem die Gläser aneinandergeklungen hatten. Er und sein Erzeuger sahen einander nicht oft, aber Metros hatte sich gemerkt, was er gern trank.

    „Ich weiß und es tut mir leid. Also erspare mit bitte Vorwürfe.“ Er ging zu der Sitzgruppe, die fast den halben Raum einnahm, ließ sich in die Polster sinken und betrachtete seinen Vater. Dem schlanken, sich sehr gerade haltenden Körper sah man die zweiundsechzig Lebensjahre nicht an.

    „So kurz angebunden?“ Metros lachte. „Trägst du mir die Standpauke von diesem einen Abend noch nach?“

    Ares winkte ab. „Ich werde mich irgendwann daran gewöhnen, dass du mich anders behandelst als die anderen Axiome.“

    „Ich habe meine Gründe.“

    „Die wüsste ich gern.“

    „Sind die so schwer zu erraten? Ich bin nicht mehr der Jüngste. Du wirst mein Nachfolger werden. Und deshalb bin ich der Meinung, dass du schon heute ...“

    „Was?!“ Ares Hand mit dem Glas erstarrte auf halbem Weg zum Mund.

    Irritiert sah Metros ihn an. „Natürlich. Was hast du denn geglaubt? Warum wohl habe ich dafür gesorgt, dass du hier stationiert wurdest und bereits nach einem Jahr Axiom geworden bist?“

    „Ich hatte es meiner tadellosen Führung und den beachtlichen Ergebnissen meiner Einheit zugeordnet“, knurrte Ares. Das Wissen, von Metros auf seinen Posten gehoben worden zu sein, verursachte einen schalen Geschmack im Mund. „Immerhin führen wir die Statistik mit den wenigsten Auffälligkeiten in den Schichten unserer Ypir-Gardisten.“

    Sein Vater winkte ab. „Wen interessieren eure kleinen internen Wettbewerbe?“

    „Gut, ich verstehe, dass du als mein Vater meine Karriere förderst, obwohl ich mir meine Lorbeeren wirklich lieber selbst verdienen möchte. Aber ich und dein Nachfolger?“ Ihm fielen eine Menge Entgegnungen ein, von denen die meisten respektlos, deutlich überzogen oder einfach nur ein Schimpfwort oder Fluch waren. Doch er beschränkte sich auf ein simples „Niemals!“ Kopfschüttelnd starrte er seinen Vater an. „Der Ring ist dein Baby. Ich bin Soldat. Und ich will es auch bleiben und nicht in deine Fußstapfen treten.“

    „Ich rede auch nicht von heute oder morgen. Bis dahin werden noch etliche Jahre vergehen und ich bin zuversichtlich, dass du deine Meinung änderst. Darum ist es mir wichtig, dass du bereits jetzt schon über alles, was im Ring geschieht, im Bilde bist und deshalb an sämtlichen Besprechungen teilnimmst.“

    Alles in Ares verlangte danach, weiter zu diskutieren, um seinem Vater diese Schnapsidee auszureden. Doch das konnte warten. Vorerst brauchte er dessen Autorität und Macht, denn er hatte vor, sie für sein Vorhaben schamlos auszunutzen.

    „Das wird der Commandantin nicht gefallen“, gab er zu bedenken. „Sie wird denken, dass du planst sie abzulösen und mich zum Commandanten zu machen.“

    „Sie kann glauben, was sie will.“ Die Hand seines Vaters schnitt durch die Luft, als wollte er so die Diskussion beenden.

    „Aber vielleicht könntest du mir diese Maßregelungen vor ihr demnächst ersparen.“

    Metros nickte einlenkend. „Was möchtest du mit mir bereden?“, fragte er übergangslos.

    „Es geht um die Commandantin und Axiom Dwayne Coholt.“

    „Ich bin ganz Ohr.“ Sein Vater setzte sich.

    „Am besten ich zeige dir die Aufnahme.“ Ares holte sein Datenpad hervor, auf das er sich die Aufzeichnung von Etienne hatte übertragen lassen.

    Stumm verfolgte Metros das Geschehen auf dem Bildschirm. Nach dem Verschwinden des Medi-Teams mitsamt dem Gravi-Board erlosch dieser und er starrte Ares an. „Wann war das?“, wollte er wissen.

    „Am Sonntag vor drei Wochen.“

    „Welche Strafe haben Axiom und Gardisten bekommen?“

    „Keine.“

    „Warum nicht?“ Gewitterwolken zogen in der Miene seines Vaters auf.

    „Weil Frida nichts unternommen hat und auch nichts dergleichen vorzuhaben scheint.“ Er steckte das Datenpad wieder ein. „Ich habe ihr das gezeigt, gleich am Tag nach dem Vorfall. Und eine Woche später habe ich nachgefragt, wann Dwayne als Verantwortlicher bestraft wird. Sie hat mich ohne Antwort abtreten lassen. Jetzt sind zwei weitere Wochen vergangen. Die beiden Ypir-Gardisten haben inzwischen acht Tage im Arrest verbracht. Dwayne blieb unbehelligt. Die Axiome munkeln, dass zwischen ihm und Frida was läuft.“

    „Das ist ungeheuerlich!“ Metros sprang auf und begann mit auf dem Rücken verschränkten Händen im Raum hin und her zu gehen. Seine gerunzelte Stirn und seine ganze Körperhaltung verrieten seinen inneren Aufruhr.

    Ares gab ihm Zeit. Er hatte es nicht eilig und es war wichtig, dass sein Vater sich die Sache sorgfältig durchdachte. Er ließ seinen Blick durch das behagliche Wohnzimmer schweifen. Es hatte sich in den vier Jahren, in denen er jetzt im Ring lebte, nicht verändert. Damals, als er zum ersten Mal in das Quartier des Kyrios beordert wurde, hatte er noch nicht gewusst, wer sich hinter dieser Bezeichnung verbarg. Als er dann seinem Vater gegenübergestanden hatte, der sich damals ohne Erklärung und Abschiedswort aus seinem Leben geschlichen hatte, war er wie vom Donner gerührt gewesen. Metros hatte sich gefreut, ihn zu sehen, die weit ausgebreiteten Arme und das Leuchten in den Augen hatten es verraten.

    Mit einem leichten Kopfschütteln kehrte Ares zurück ins Hier und Jetzt und musterte die Wohnung. Sanftes, indirektes Licht erhellte jeden Winkel, ohne grell zu wirken, und ließ die unzähligen Pflanzen gedeihen. Metros liebte Grünpflanzen, klassische Musik, alte Weine und Bilder an den Wänden. Landschaften, in Öl, keine billigen Drucke oder Poster. Sein Vater besaß Geschmack.

    „Ich kümmere mich um die Sache!“, stieß dieser jetzt hervor und blieb vor dem niedrigen Tisch stehen. „Die Vorgesetzten von Commandantin Busch werden davon erfahren. Wie geht es dem Opfer?“

    „Der Mann ist tot. An den Folgen der Schläge gestorben.“

    -----------------------------------------

    Hier geht's zu Teil 2 von Kapitel 11

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

    3 Mal editiert, zuletzt von Tariq (27. September 2022 um 20:24) aus folgendem Grund: Editiert gemäß den Vorschlägen im Feedback

  • Zitat von Tariq

    Ich vermute mal, dass ich unbewusst versuche, den von Kiddel Fee zu kopieren, weil der mich so fasziniert. Sie packt in einen Satz, wofür ich fünf brauche. Und der eine ist dann immer noch besser als meine fünf.

    Das würde ich sehr schade finden. Der Schreibstiel ist ja immer etwas sehr persönliches und dann zu versuchen, den Stiel eines anderen zu kopieren, nimmt der Geschichte ein Stück der Seele des Autoren. (passiert es nun bewusst oder unbewusst). Auch wenn ich dir zustimme, dass die KiddelFee einen guten Stiel hat, so hast du den auch. Bitte behalte den bei. :)

    Zum neuen Teil kann ich nur sagen, dass er mich an sich gut gefällt. das Gespräch zwischen Vater und Sohn gibt was her, auch wenn das mehr von einem professionellen Geschäftsgespräch hat als ein familiärer Plausch (was bestimmt auch so sein sollte). Die Paarung ist auf jeden Fall sehr interessant, auch die Hinweise, die du im Text gestreut hast. Ich bin gespannt, was uns da noch erwartet.

    Da wurde die Sache ordentlich vertuscht wie mir scheint. Ich bin gespannt, was die Gardisten, Frida und ihrem Lover jetzt bevor steht. Und ob Metros ein Echo entgegen springen wird ...

    LG :)

  • Den Dialog fand ich wieder sehr schön geschrieben. Die Situation eskaliert jetzt langsam - das macht natürlich neugierig. Die Beziehung zwischen Ares und Metros ist zwar etwas distanziert, aber doch wärmer, als man nach der Szene im Besprechungsraum hätte erwarten können. Metros wirkt halt wie jemand, der ganz klare Erwartungen an seinen Sohn hat - und das passt ja. Hier zu den Details:

    Spoiler anzeigen

    Also erspare mitr bitte Vorwürfe

    Der Umgang zwischen Vater und Sohn, wenn diese Gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis haben, ist natürlich immer kompliziert. So richtig gut kann das eigentlich nie gehen. Hier hat mich aber eine Sache trotzdem gewundert:

    „Was?!“ Ares Hand mit dem Glas erstarrte auf halbem Weg zum Mund.

    Irritiert sah Metros ihn an. „Natürlich. Was hast du denn geglaubt? Warum wohl habe ich dafür gesorgt, dass du hier stationiert wurdest und bereits nach einem Jahr Axiom geworden bist?“

    „Ich hatte es meiner tadellosen Führung und den beachtlichen Ergebnissen meiner Einheit zugeordnet“, knurrte Ares.

    Ares Überraschung hat mich wiederum überrascht. Das erschien mir dann doch etwas naiv von ihm. Er macht den Eindruck, als wäre er intelligent genug, um auch die Option zu erwägen, dass sein Vater ihn nicht (nur) wegen seiner Leistung bevorzugt. Es wäre natürlich auch möglich, dass er einfach extrem von sich überzeugt ist und deshalb nie an dieses Szenario gedacht hat.

    „Ich kümmere mich um die Sache!“, stieß dieser jetzt hervor und blieb vor dem niedrigen Tisch stehen. „Die Vorgesetzten von Commandantin Busch werden davon erfahren.

    Das macht natürlich extrem neugierig darauf, was Friedas Spiel ist. Im Prinzip musste sie ja zumindest ahnen / befürchten, dass Ares so reagiert. Schadensbegrenzung hätte also anders ausgesehen. Aber Ares Move ist auch gewagt, denn hier nutzt er ja seine Vater-Sohn Beziehung aus, was ihm vielleicht nicht nur bei Frieda, sondern auch bei seinen Kollegen Missgunst einbringen könnte. Naja, genug spekuliert - ich lasse mich mal überraschen...

  • Ich gestehe, das hat mich jetzt ueberrascht (Ueberraschung ist gut...) - ich waere davon ausgegangen dass sich Ares vom Kyrios die naechste kalte Dusche holt und informiert wird dass man halt fuer das Grosse und Ganze auch mal Opfer in Kauf nehmen muss - aber Metros reagiert tatsaechlich unwirsch - was der Sache dann schon einen interessanten Spin gibt.

    Dass sie hier die Vetternwirtschaft (von der vermutlich eh jeder weiss) - so offen bereden ist Geschmackssache - es charakterisiert Daktyl als jemanden der eher wenig subtil ist (von Ares wissen wir das ja irgendwie schon, vielleicht liegt's in der Familie?).

    Jedenfalls ist die Szene interessant sowohl von der Vater/Sohn Dynamik, als auch von der Implikation was da dann nun wirklich vorgeht - offenbar kocht Frida da ihr eigenes Sueppchen und der Kyrios weiss gar nichts davon...

  • Antwortbox

    Wie immer herzlichen Dank für euer ausführliches und hilfreiches Feedback und eure Vorschläge. Es ist sehr interessant, zu hören, was ihr erwartet/befürchtet für den Fortgang der Handlung.

    Danke auch für deine Likes, Iskaral !

    Zitat von Tariq

    Ich vermute mal, dass ich unbewusst versuche, den von Kiddel Fee zu kopieren, weil der mich so fasziniert. Sie packt in einen Satz, wofür ich fünf brauche. Und der eine ist dann immer noch besser als meine fünf.

    Das würde ich sehr schade finden. Der Schreibstiel ist ja immer etwas sehr persönliches und dann zu versuchen, den Stiel eines anderen zu kopieren, nimmt der Geschichte ein Stück der Seele des Autoren. (passiert es nun bewusst oder unbewusst). Auch wenn ich dir zustimme, dass die KiddelFee einen guten Stiel hat, so hast du den auch. Bitte behalte den bei. :) Danke für deine aufmunternden Worte. :) Eins nur muss ich richtigstellen: Ich versuche nicht, den Stil von Kiddel Fee zu kopieren, sondern meinen alten wiederzufinden. ;(

    Zum neuen Teil kann ich nur sagen, dass er mich an sich gut gefällt. das Gespräch zwischen Vater und Sohn gibt was her, auch wenn das mehr von einem professionellen Geschäftsgespräch hat als ein familiärer Plausch (was bestimmt auch so sein sollte). Die Paarung ist auf jeden Fall sehr interessant, auch die Hinweise, die du im Text gestreut hast. Ich bin gespannt, was uns da noch erwartet. Prima, das hatte ich erreichen wollen. :thumbup:

    Dass sie hier die Vetternwirtschaft (von der vermutlich eh jeder weiss) - so offen bereden ist Geschmackssache - es charakterisiert Daktyl als jemanden der eher wenig subtil ist (von Ares wissen wir das ja irgendwie schon, vielleicht liegt's in der Familie?).

    Hm, ich wollte schon rüberbringen, dass zumindest Ares davon überrascht ist, da sein Vater bislang wirklich wenig Anteil an seinem Ergehen im Ring genommen hat. Ich habe diesen Fakt aber nicht extra erwähnt. Nur in diesem einen Satz angedeutet:

    "Er und sein Erzeuger sahen einander nicht oft, aber Metros hatte sich gemerkt, was er gern trank."

    Vielleicht sollte ich das noch besser hervorheben, dass die beiden - bis auf diese Besprechungen - wenig Kontakt pflegen.

    Noch einmal - Danke euch! So, nun weiter:

    alte Version

    Kapitel 11

    (2/3)

    „Um so schlimmer!“, grollte sein Vater. „Dann war es Mord! Sieh zu, dass das keiner erfährt, ja? Ich regele das selbst.“

    „Warum soll das keiner erfahren?“ Ares schüttelte verwundert den Kopf. „Die Bestrafung eines Axioms erfolgt im Beisein der anderen! Steht im Reglement. Jeder soll wissen, was Dwayne sich geleistet hat!“

    „Nein! Dass ein Axiom bestraft wird, ist noch nie vorgekommen, und ich will nicht, dass sich das herumspricht und Ontas davon Wind bekommen. Das darf nicht passieren.“

    „Es ist schon einmal vorgekommen und nichts hat sich danach geändert. Ich begreife deine Angst nicht, Vater! Herumsprechen? Was denn?“

    „Dass Gardisten auch bestraft werden! Ich will, dass die Ontas sie für unantastbar halten und Angst vor ihnen haben!“

    „Das haben sie auch so schon genug. Und wie sollten Ontas sich unterhalten? Sie haben doch kaum die Möglichkeit dazu!“

    „Man findet immer einen Weg, wenn man nur lange genug sucht! Denkst du wirklich, das Überwachungssystem ist perfekt? Wach auf! Es wurde von Menschen entwickelt und Menschen werden es auch schaffen, es zu umgehen.“ Sein Vater blieb stehen und sah ihn aufgebracht an. „Und ich weiß nicht, wie und wann.“

    „Und wenn schon!“ Auch in Ares stieg Ärger hoch. Diese Paranoia war lächerlich. „Hast du immer noch Angst vor einem Aufstand? Oder befürchtest du, sie könnten Fluchtpläne schmieden? Das wäre Irrsinn! Wir sind auf einer winzigen Insel mitten im Südpazifik! Außer dem Ring und dem Regenwald gibt es hier nichts. Keine Tiere, kein Wasser. Kein Schiff kann an der Küste anlegen und die Gleiter, die hier landen, gehören ausschließlich zum Militär, seit Pitcairn ein Marinestützpunkt geworden ist.“ Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust. „Und ich habe es dir schon einmal gesagt: Selbst wenn ein paar von ihnen beim Fluchtversuch draufgehen – deine Leute von der Regierung besorgen dir doch problemlos Nachschub. Sträflinge sind billig und es gibt sie immer und überall!“

    Prüfend musterte er seinen Vater. Hatte der den bitteren Unterton gehört?

    „So einfach, wie du denkst, geht das nicht!“

    „Warum? Erklär es mir!“

    „Weil es keine Sträflinge sind!“

    Ares riss die Augen auf. „Was?“, fragte er überrumpelt, obwohl er die Worte genau verstanden hatte und das Begreifen nach und nach in sein Hirn sickerte.

    Sein Vater setzte sich wieder und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Er sank förmlich in sich zusammen und wirkte mit einem Mal zehn Jahre älter.

    „Lass uns gemeinsam zu Abend essen“, hörte Ares ihn leise sagen. „Ich muss dir ein paar Dinge erklären.“

    Er antwortete nicht sofort. Das Zittern der schlanken Wissenschaftler-Hände erschreckte ihn. Und diese veränderte Haltung, der Blick, der um Verständnis bettelte.

    Zögernd nickte er. „Bleib sitzen. Ich bestelle uns was.“

    Während sie warteten, wechselten sie nur wenige Worte. Metros fragte ein paar belanglose Dinge und Ares antwortete einsilbig. Eine richtige Unterhaltung kam nicht in Gang und als zehn Minuten später der melodische Gong am Versorgungsschacht die Ankunft ihres Abendessens verkündete, atmete Ares auf. Stumm nahm er die angeforderten Gerichte heraus und brachte sie an den großen Tisch. Sein Vater stand auf, kam herüber und setzte sich ihm gegenüber.

    Eine Weile war nur das Klappern der Bestecke zu hören. Ares wartete. Er würde keine Fragen stellen. Er war nicht einmal mehr sicher, dass er wissen wollte, was sein Vater ihm gleich berichten würde. Die Ungeheuerlichkeit von dessen Offenbarung lastete wie ein Berg auf ihm.

    Keine Sträflinge ...

    Was dann? Freiwillige? Wohl kaum. Die hielt man nicht mit derart drakonischen Mitteln im Zaum.

    „In Ordnung“, beendete Metros das lastende Schweigen und schob den halbvollen Teller zurück. „Was ich dir jetzt sage, weiß niemand außer mir und einigen Leuten bei der Regierung. Und das muss so bleiben!“

    Ares hob den Blick und sah ihn stirnrunzelnd an. Sein Vater hatte das ‚muss‘ so inbrünstig hervorgestoßen, als hinge sein Leben davon ab. Die Geste, mit der er dabei die ins Gesicht fallenden grauen Haare hinters Ohr gestrichen hatte, war fahrig und nicht souverän wie sonst gewesen. Schweißtropfen glänzten über den dichten Brauen. War sein Vater krank?

    „Eigentlich wollte ich es dir jetzt noch nicht erzählen“, fuhr Metros fort. „Ich hatte Sorge, ob du die richtige ... Einstellung hast. Deshalb habe ich dich in der letzten Zeit auch immer zu den Besprechungen geholt, um dich besser kennenzulernen. Wir haben nicht gerade das, was man eine gute Vater-Sohn-Beziehung nennt.“

    Ares schwieg. Er erinnerte sich mit Bitterkeit an seine Teenager-Zeit, in der sich zunehmend entfremdet hatten.

    „Ich muss weit zurückgehen, damit du verstehst“, begann sein Vater erneut, bevor das Schweigen belastend wurde. „Viele Jahre.“

    Ares verkniff sich die Bemerkung, dass er Zeit hatte, und nickte knapp.

    „Du weißt, ich war früher Wissenschaftler auf den Gebieten der Molekularbiologie und der Medizin. Aber ich habe dir nie erzählt, dass das Institut, in dem ich arbeitete, mir gehörte. Eines Tages machte ich eine bahnbrechende Entdeckung und ging mit der erforderlichen Anzahl erfolgreich absolvierter Tests damit an die Öffentlichkeit. Meine Aufzeichnungen und eine Präsentation schlugen ein wie eine Bombe. Es war mir gelungen, durch kontinuierliche Freisetzung von in den menschlichen Körper implantierten Stoffen die Zellalterung extrem zu verlangsamen. Die Menschen würden mit sechzig, siebzig Jahren noch vital und gesund sein und länger leben.“

    Das darauffolgende hilflose Lachen kannte Ares nicht von seinem Vater. Es verunsicherte ihn. Er lernte gerade eine völlig neue Seite von ihm kennen.

    „Bis zu diesem Tag war ich nur einer von unzähligen Wissenschaftlern gewesen. Und plötzlich stand ich im Fokus des Interesses von Konzernriesen. Die Kosmetikindustrie riss sich um mich. Ihre Angebote sprengten jegliche Vorstellung. Es war unglaublich und ich lebte in dieser Zeit wie in einem Traum, einem Rausch. Alles war mir möglich. Du warst gerade zur Marine gegangen und hast davon nichts mitbekommen.“

    Ares sah auf und erkannte Bedauern im Gesicht seines Vaters. Er war nie auf die Idee gekommen, dass seine Flucht aus dem Zuhause kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag den Vater getroffen hatte. Die Differenzen mit ihm waren für ein weiteres Zusammenleben unerträglich geworden. Damals war es ihm gleich gewesen, dass er der Einzige war, den Metros als Familie bezeichnete. Doch jetzt erkannte er, dass der Mann vor ihm jahrelang unendlich allein gewesen sein musste.

    „Bis mich ein Vertreter der Regierung aufsuchte“, fuhr dieser in dem Moment fort und unterbrach seine Gedanken, bevor sie in eine Richtung drifteten, die ihm nicht behagte. Schuldgefühle konnte er momentan überhaupt nicht gebrauchen.

    „Regierung?“, hakte er nach und das ungute Gefühl verstärkte sich.

    Sein Vater nickte. „Der Handlanger irgendeines Konsuls. Er erklärte mir mit wenigen Worten, dass genau diese nicht begeistert war von künstlicher Lebensverlängerung. Im Gegenteil. Die Bevölkerungsexpansion drohte die Menschheit in den Abgrund zu stürzen. Wir steuerten auf die Zehn-Milliarden-Grenze zu und schon damals gab es gravierende Unterschiede in den Lebensumständen. Während einerseits Menschen im Geld schwammen, verhungerten und verdursteten anderswo die Bewohner ganzer Landstriche. Das Leben derer, die in den Slums der großen Städte hausten, konnte man nicht mehr als solches bezeichnen. Dort regierte die Anarchie und es tobte ein Kampf ums Überleben. Und diese Slums wuchsen, während sich die reichen Stadtgebiete abschotteten wie riesige, unbezwingbare Festungen. Wirklich schlimm.“

    Metros nahm einen Schluck Wasser. Als er das Glas absetzte, glitt sein Blick zu einem der Bilder an der Wand hinüber, das wie ein Fenster gestaltet war. Die eben noch zitternden Hände krampften sich ineinander.

    Ares wusste, die Aussicht aus diesem angedeuteten Fenster zeigte Athen, die Heimatstadt seines Vaters. Plötzlich fühlte er Mitleid mit ihm.

    -----------------------------------------

    Hier geht's zu Teil 3 von Kapitel 11

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

    3 Mal editiert, zuletzt von Tariq (27. September 2022 um 20:25) aus folgendem Grund: Editiert gemäß den Vorschlägen aus dem Feedback.

  • Wow, das ist mal ein Story-Twist. Der kam für mich unerwartet und ist damit gelungen. Bin natürlich extrem gespannt, wie es weitergeht. Hier meine Anmerkungen:

    Spoiler anzeigen

    Aber je mehr darüber Bescheid wissen, desto größer ist die Gefahr, dass sich das herumspricht und Ontas davon Wind bekommen. Und das darf nicht passieren.

    Es erstaunt mich, dass Metros in dieser Bestrafung so ein besonderes Problem sieht - schließlich sind laut Ares ja auch bereits vorher schon Axiome bestraft worden.

    „So einfach, wie du denkst, geht das nicht!“

    „Warum? Erklär es mir!“

    „Weil es keine Sträflinge sind!“

    Die Frage ist, ob der Zeitpunkt, zu dem Mertros seinen Sohn einweiht passend gewählt ist. Hier macht es den Anschein, als ob Metros das Geheimnis enthüllen müsste, weil er sonst nicht erklären kann, warum er Angst vor einem Aufstand hat. Das scheint mir als Begründung aber etwas dünn. Da könnte er sich sicher auch eine Cover-Story ausdenken. Es macht für mich aber schon Sinn, dass er Ares trotzdem einweiht - und zwar, weil er ihm gerade offenbart hat, dass er sein Nachfolger werden soll. Für mich würde es daher mehr Sinn machen, die Einweihung eher von dieser Seite aus aufzuziehen.

    „Lass uns zusammen zu Abend essen“, hörte er ihn leise sagen. „Ich muss dir ein paar Dinge erklären.“

    Er antwortete nicht sofort. Das Zittern der schlanken Wissenschaftler-Hände erschreckte ihn. Und diese veränderte Haltung, der Blick, der um Verständnis bettelte.

    Er nickte. „Bleib sitzen. Ich bestelle uns was.“

    Zehn Minuten später nahm er die angeforderten Gerichte aus dem Versorgungsschacht und brachte sie an den großen Tisch. Sein Vater stand auf, kam herüber und setzte sich ihm gegenüber.

    „Was ich dir jetzt sage, weiß niemand außer mir und einigen Leuten bei der Regierung“,

    Also das passt für mich noch nicht. Metros droppt die übelste Bombe und dann bestellen sie erstmal was zu essen und warten zehn Minuten schweigend, ohne mit dem Thema fort zu fahren. Das finde ich unrealistisch. Denke du solltest das Gespräch direkt weiter laufen lassen und das Essen kommt zwischendurch rein. Ändert ja denke ich nicht viel am Plot.

    Die Kosmetikindustrie riss sich um mich. Ihre Angebote sprengten jegliche Vorstellung. Es war unglaublich und ich lebte in dieser Zeit wie in einem Traum, einem Rausch. Alles war mir möglich. Du warst gerade zur Marine gegangen und hast davon nichts mitbekommen.

    Ich kenne ja jetzt noch nicht die ganze Story, daher halte ich mich mal mit Anmerkungen dazu noch zurück. Basierend auf dem was ich jetzt weiß hört es sich aber eher unrealistisch an, dass Ares (auch im Nachhinein) gar nichts davon mitbekommen haben soll.

    Die Art und Weise, wie Ares das Verhalten seines Vaters im Nachhinein mit ganz neuen Augen sieht ist gut und glaubhaft geschildert. Jetzt bleibt natürlich noch die große Frage offen, was es mit den "Gefangenen" im Ring auf sich hat. Ich halte mich mal mit Spekulationen bewusst zurück...

  • Novize

    Danke dir herzlich für dein Feedback. Das hilft mir sehr, zu wissen, was du von dem hältst, was ich schreibe.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Spoiler anzeigen

    Hi Tariq !

    Maaann, warum musst du an dieser spannenden Stelle abbrechen? Jetzt hätte ich so gern einfach noch weitergelesen :panik:

    Na, da muss ich mich wohl gedulden wie bei jedem gut gemachten Cliffhanger.

    Ich möchte auch nochmal anmerken, da ich mir die Konversation oben durchgelesen habe, dass ich deinen Stil sehr wertschätze und es schade fände, wenn du den von jemand anderem übernähmst. Ich kenne den Schreibstil von Kiddel Fee tatsächlich nicht. Es ist voll okay, sich jemanden zur Inspiration zu nehmen, aber sich beim Schreiben treu zu bleiben, ist auch schön für den Leser - der merkt dann, dass etwas authentisch formuliert ist.

    Den aktuellen Part finde ich emotional und spannungstechnisch super gelungen. Ich mag es sehr, solche Enthüllungsgespräche zu lesen und im Prinzip warte ich ja seit dem Prolog darauf, dass diese Suizid-Story mal aufgeklärt wird. (Oder hab ich das überlesen? Oh Gott. Hoffe nicht!) Hier hab ich dir noch ein paar stilistische Feinheiten serviert, die du gern annehmen oder verwerfen kannst:


    „Um so schlimmer!“, grollte sein Vater. „Dann war es Mord! Sieh zu, dass das keiner erfährt, ja? Ich regele das selbst.“

    „Warum soll das keiner erfahren? Die Bestrafung eines Axioms erfolgt immer im Beisein der anderen Axiome! Jeder soll wissen, was Dwayne sich geleistet hat!“ Zorn klang aus seinen Worten. Das sagt jetzt Ares, richtig? Dann ist es kein personaler Erzählstil, weil wir hier vermittelt bekommen, dass man Zorn hören kann, aber nicht, dass wirklich Zorn empfunden wird. Der Satz ist aber noch aus einem zweiten Grund etwas unelegant...

    „Ich verstehe dich. Aber je mehr darüber Bescheid wissen, desto größer ist die Gefahr, dass sich das herumspricht und Ontas davon Wind bekommen. Und das darf nicht passieren.“

    „Ich begreife deine Angst nicht, Vater! Herumsprechen? Was denn?“ "Ich begreife deine Angst nicht, Vater" erschient mir etwas hochtrabend und hochgestochen formuliert. Aber vielleicht macht Ares das ja auch absichtlich.

    „Dass Gardisten auch bestraft werden! Ich will, dass die Ontas sie für unantastbar halten und Angst vor ihnen haben!“

    „Das haben sie auch so schon genug. Und wie sollten Ontas sich unterhalten? Sie haben doch kaum die Möglichkeit dazu!“

    „Man findet immer einen Weg, wenn man nur lange genug sucht! Denkst du wirklich, das Überwachungssystem ist perfekt? Wach auf! Es wurde von Menschen entwickelt und Menschen werden es auch schaffen, es zu umgehen.“ Sein Vater blieb stehen und starrte ihn aufgebracht an. „Und ich weiß nicht, wie und wann.“

    „Und wenn schon!“ Auch in Ares stieg Ärger hoch Hier wiederholst du, dass Ares (der vorhin schon zornig klang), verärgert ist. Übrigens transportieren auch die Sätze, die Vater und Sohn äußern, diese Emotionen schon recht gut. Diese Paranoia war lächerlich. „Hast du immer noch Angst vor einem Aufstand? Oder befürchtest du, sie könnten Fluchtpläne schmieden? Das wäre Irrsinn! Wir sind auf einer winzigen Insel mitten im Südpazifik! Außer dem Ring und dem Regenwald gibt es hier nichts. Keine Tiere, kein Wasser. Kein Schiff kann an der Küste anlegen und die Gleiter, die hier landen, gehören ausschließlich zum Militär, seit Pitcairn ein Marinestützpunkt geworden ist.“ Er war ebenfalls aufgesprungen. Wie sein Vater vorhin, hatte er begonnen erregt auf und ab zu laufen Hmm, vielleicht könnte man das anders formulieren... Ich hab das Gefühl, bei dir springen oft Leute auf und starren sich aufgebracht an :D. „Und ich habe es dir schon einmal gesagt: Selbst wenn ein paar von ihnen beim Fluchtversuch draufgehen – deine Leute von der Regierung besorgen dir doch problemlos Nachschub. Sträflinge gibt es immer und überall!“ Hörte sein Vater den bitteren Unterton? Prüfend starrte er ihn an.

    „So einfach, wie du denkst, geht das nicht!“

    „Warum? Erklär es mir!“

    „Weil es keine Sträflinge sind!“

    Ares riss die Augen auf. „Was?“, fragte er überrumpelt, obwohl er die Worte genau verstanden hatte und das Begreifen nach und nach in sein Hirn sickerte.

    Sein Vater setzte sich wieder und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Er sank förmlich in sich zusammen, wirkte plötzlich zehn Jahre älter. Die Geste, mit der er die ins Gesicht fallenden grauen Haare hinters Ohr strich, war fahrig und nicht souverän wie sonst. Als er nach ein paar Sekunden den Kopf hob und sich zu ihm herumdrehte, bemerkte Ares die fahle Haut und die Schweißtropfen über den noch immer dunklen Brauen. Hier schilderst du sehr ausführlich die plötzliche Veränderung von Metros. Die hätte ich dir auch schon nach den ersten zwei Sätzen (oder besser noch, einfach nach dem letzten Satz als Alleinstehung) abgekauft. Vielleicht gilt hier auch: Weniger Sätze sind mehr? War sein Vater krank?

    „Lass uns zusammen zu Abend essen“, hörte er ihn leise sagen. „Ich muss dir ein paar Dinge erklären.“

    Er (Hier würde ich tatsächlich Ares' Namen verwenden, da du ihn vorher lange Zeit nicht benutzt hast. Das führt wieder ins Bewusstsein, dass der Abschnitt aus Ares Sichtweise verfasst ist.) antwortete nicht sofort. Das Zittern der schlanken Wissenschaftler-Hände erschreckte ihn. Und diese veränderte Haltung, der Blick, der um Verständnis bettelte.

    Er nickte. „Bleib sitzen. Ich bestelle uns was.“

    Zehn Minuten später nahm er die angeforderten Gerichte aus dem Versorgungsschacht und brachte sie an den großen Tisch. Sein Vater stand auf, kam herüber und setzte sich ihm gegenüber.

    „Was ich dir jetzt sage, weiß niemand außer mir und einigen Leuten bei der Regierung“, begann Metros. „Und das muss so bleiben!“ Er hatte das ‚muss‘ so inbrünstig hervorgestoßen, als hinge sein Leben davon ab. Dann schwieg er. Anscheinend suchte er nach Worten.

    Eine Weile war nur das Klappern der Bestecke zu hören. Ares wartete. Er würde keine Fragen stellen. Er war nicht einmal mehr sicher, dass er wissen wollte, was sein Vater ihm gleich berichten würde. Die Ungeheuerlichkeit von dessen Offenbarung lastete wie ein Berg auf ihm. Diese Sätze finde ich hervorragend geschrieben und sie spiegeln sehr gut, was in Ares vor sich geht. Mir würde es genauso gehen.

    Keine Sträflinge ...

    Was dann? Freiwillige? Wohl kaum. Die hielt man nicht mit derart drakonischen Mitteln im Zaum.

    „Ich muss weit zurückgehen, damit du verstehst“, begann sein Vater erneut, bevor das Schweigen belastend wurde. „Viele Jahre.“

    Ares verkniff sich die Bemerkung, dass er Zeit hatte, und nickte knapp.

    „Du weißt, ich war früher Wissenschaftler auf den Gebieten der Molekularbiologie und der Medizin. Aber ich habe dir nie erzählt, dass das Institut, in dem ich arbeitete, mir gehörte. Eines Tages machte ich eine bahnbrechende Entdeckung und ging mit der erforderlichen Anzahl erfolgreich absolvierter Tests damit an die Öffentlichkeit. Meine Aufzeichnungen und eine Präsentation schlugen ein wie eine Bombe. Es war mir gelungen, durch kontinuierliche Freisetzung von in den menschlichen Körper implantierten Stoffen die Zellalterung extrem zu verlangsamen. Die Menschen würden mit sechzig, siebzig Jahren noch vital und gesund sein und länger leben.“

    Das darauffolgende hilflose Lachen kannte Ares nicht von seinem Vater. Es verunsicherte ihn. Er lernte gerade eine völlig neue Seite von ihm kennen.

    „Bis zu diesem Tag war ich nur einer von vielen Millionen Wissenschaftlern gewesen. Und plötzlich stand ich im Fokus des Interesses von Konzernriesen. Die Kosmetikindustrie riss sich um mich. Ihre Angebote sprengten jegliche Vorstellung. Es war unglaublich und ich lebte in dieser Zeit wie in einem Traum, einem Rausch. Alles war mir möglich. Du warst gerade zur Marine gegangen und hast davon nichts mitbekommen.“

    Ares sah auf und erkannte Bedauern in dem Gesicht ihm gegenüber (die Formulierung ist sehr distanziert. Ist das Absicht? Wenn ja, ist es okay. Aber gerade hatte ich den Eindruck, dass Ares seinen Vater aufmerksamer ansieht, versucht, ihn zu verstehen). Er wusste warum: Er war mit achtzehn von zu Hause weggegangen. Die Differenzen mit seinem Vater hatten ein Zusammenleben unerträglich gemacht. Damals war es ihm gleich gewesen, dass er der Einzige war, den Metros als Familie bezeichnete. Mit einem Mal erkannte er, dass der Mann vor ihm unendlich allein gewesen sein musste.

    „Bis mich ein Vertreter der Regierung aufsuchte“, fuhr dieser in dem Moment fort und unterbrach seine Gedanken, bevor sie in eine Richtung drifteten, die ihm nicht behagte. Schuldgefühle konnte er momentan überhaupt nicht gebrauchen.

    „Regierung?“, hakte er nach und das ungute Gefühl verstärkte sich.

    Sein Vater nickte. „Der Handlanger irgendeines Konsuls. Er erklärte mir mit wenigen Worten, dass genau diese nicht begeistert war von künstlicher Lebensverlängerung. Im Gegenteil. Die Bevölkerungsexpansion drohte die Menschheit in den Abgrund zu stürzen. Wir steuerten auf die Zehn-Milliarden-Grenze zu und schon damals gab es gravierende Unterschiede in den Lebensumständen. Während einerseits Menschen im Geld schwammen, verhungerten und verdursteten anderswo die Bewohner ganzer Landstriche. Das Leben derer, die in den Slums der großen Städte hausten, konnte man nicht mehr als solches bezeichnen. Dort regierte die Anarchie und es tobte ein Kampf ums Überleben. Und diese Slums wuchsen, während sich die reichen Stadtgebiete abschotteten wie riesige, unbezwingbare Festungen. Wirklich schlimm.“

    Metros nahm einen Schluck Wasser. Als er das Glas absetzte, glitt sein Blick zu einem der Bilder an der Wand hinüber, das wie ein Fenster gestaltet war. Die eben noch zitternden Hände krampften sich ineinander.

    Ares wusste, die Aussicht aus diesem angedeuteten Fenster zeigte Athen, die Heimatstadt seines Vaters. Plötzlich fühlte er Mitleid mit ihm.

    Insgesamt wie immer auf hohem Niveau :) Bis bald!


    Was ich schreibe: Eden

  • Stadtnymphe

    Herzlichen Dank auch dir für das auführliche Feedback!! ^^

    (Oder hab ich das überlesen? Oh Gott. Hoffe nicht!)

    Nein, hast du nicht und ich freue mich, dass du den Zusammenhang mit dem Prolog erkannt hast! :thumbsup:

    dass ich deinen Stil sehr wertschätze und es schade fände, wenn du den von jemand anderem übernähmst. Ich kenne den Schreibstil von Kiddel Fee tatsächlich nicht. Es ist voll okay, sich jemanden zur Inspiration zu nehmen, aber sich beim Schreiben treu zu bleiben, ist auch schön für den Leser - der merkt dann, dass etwas authentisch formuliert ist.

    Ich freue mich sehr von dir und auch von LadyK zu hören, dass euch mein Stil gefällt. Nachdem ich jetzt mehrfach gelesen habe, dass ich zu eilig durch die Geschichte hetze, lese ich vor dem Posten den Part immer noch einmal durch und prüfe dahingehend genau. Mit den von euch und Novize vorgeschlagenen Änderungen habe ich den letzten Part überarbeitet und siehe da - er ist deutlich länger geworden. ^^

    Es stimmt, ich bin ein bisschen neidisch auf den Stil der Kiddel Fee. Aber ich habe nicht gedacht und schon gar nicht bemerkt, dass ich ihn kopiere. Also - unbewusst. :pardon: Ich arbeite an mir. :thumbup:

    Ares sah auf und erkannte Bedauern in dem Gesicht ihm gegenüber (die Formulierung ist sehr distanziert. Ist das Absicht? Wenn ja, ist es okay. Aber gerade hatte ich den Eindruck, dass Ares seinen Vater aufmerksamer ansieht, versucht, ihn zu verstehen).

    Ich habe es angepasst und vom letzten Part eine überarbeitete Version eingefügt. Wenn du magst - schau noch mal. :)

    Na, da muss ich mich wohl gedulden wie bei jedem gut gemachten Cliffhanger.

    Nicht lange. Geht gleich weiter:

    alte Version

    Kapitel 11

    (3/3)

    Ares wusste, die Aussicht aus diesem angedeuteten Fenster zeigte Athen, die Heimatstadt seines Vaters. Plötzlich fühlte er Mitleid mit ihm.

    „Ich habe mich nie für derlei Probleme interessiert“, fuhr dieser fort. „Verstehst du: Ich war Wissenschaftler und verbrachte vierzehn Stunden des Tages im Institut, manchmal kam ich über Nacht auch gar nicht nach Hause. Ich wollte forschen. Etwas Großartiges entdecken. Deine Mutter ist deswegen gegangen und du hast mich in deiner Kindheit und Jugend kaum zu Gesicht bekommen.“

    Ares nickte. Seine Mutter ... Eines Tages hatte sie ihm gesagt, dass sie gehen würde. Ein anderer Mann würde um sie werben und ihr zeigen, dass sie noch lebte. Etwas, was ihr an der Seite ihres Mannes verlorengegangen war. Er erinnerte sich, dass er genickt und ihr alles Gute gewünscht hatte. Sie zu begleiten war nicht in Frage gekommen, obwohl ...

    „Die Welt da draußen war mir egal.“ Sein Vater hatte weitergesprochen und seine Erinnerungen beiseite gefegt. „Ich habe für meine Forschung gelebt. Keine Ahnung, ob du das verstehst, aber es ging mir nicht um den Ruhm. Ich wollte auf etwas stolz sein. Aber als dieser Mann vor mir stand, realisierte ich mit einem Schlag, dass meine Erfindung dafür keinen Grund bot. Nutzlos war. Wer brauchte in diesen Zeiten Lebensverlängerung? Ich hatte meine Zeit verschwendet und war ein Idiot.“ Er stieß ein bitteres Lachen aus. „Eigentlich war diese Nachricht geeignet, mich in ein tiefes Loch stürzen zu lassen, dieser Konsulsmitarbeiter verkündete, dass die Regierung einen Auftrag für mich habe. Er nannte mir einen Tag, an dem ich im Colossum in Humania zu erscheinen hatte, verabschiedete sich und verschwand. Ich blieb zurück mit dem Kopf voller Fragen. Was hatte man mit mir vor? Was, wenn ich nicht hingehen wollte? Doch er hatte mir weder seinen Namen noch seinen Kontaktcode genannt, ich konnte gar nicht absagen! Und ich traute mich auch nicht. Es war schließlich die Regierung der Vereinigten Kontinente.“

    Ares bemerkte, wie sein Vater ihn verständnisheischend anschaute. Doch er blieb stumm. In seinem Kopf kreisten tausend Fragen. Wer waren die Ontas? Was hatte man hier jahrelang von ihnen herstellen lassen? Und warum hatte Metros solche Angst?

    „Ich reiste also nach Humania und fand mich im Colossum ein. Der Konsulsmitarbeiter wartete bereits am Empfang und brachte mich zu seinem Vorgesetzten. Erst dachte ich: ‚ein typischer Politiker‘, als ich vor dem Konsul stand. Doch der Mann hatte seinen Posten nicht umsonst. Er war genau über mich im Bilde. Und er musste die Enttäuschung und den maßlosen Ehrgeiz in mir erkannt haben. Ich hatte fast den Eindruck, dass er mir in die Seele schauen konnte. Er sparte nicht mit Lob und schmeichelte meiner Eitelkeit, als er mir erklärte, das ich mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten der Einzige sei, der die Welt vor dem Kollaps retten könne. Mit wenigen Worten fasste er dann zusammen, was man von mir erwartete. Ich erhielt Bedenkzeit und stand nach einer Viertelstunde wieder auf der Straße mit der Auflage, mich spätestens nach zwei Tagen bei meinem Kontaktmann zu melden. Diesmal hatte ich Namen und Code von ihm erhalten. Es war keine Frage für mich: Dieses Angebot musste ich annehmen! Ich verstand das Dilemma der Regierung und deren krampfhafte Suche nach einer Lösung. Unser Planet marschierte schnurstracks auf sein Ende zu und ich war der, der das aufhalten sollte. Das machte mich unsagbar stolz. Auf dem Nachhauseweg wälzte ich bereits Formeln im Kopf. Noch vor Ablauf der beiden Tage hatte ich eine grobe Idee und nahm Kontakt zu dem Mann auf. Doch ich hörte nur eine Sprachnachricht, in der mir eine Nummer mitgeteilt wurde, bei der ich mich melden sollte. Als ich das tat, wurde mir ein neuer Kontaktmann genannt. Warum, erfuhr ich nicht.“

    Wieder nahm sein Vater einen Schluck Wasser und diesmal wischte er sich über die schweißnasse Stirn.

    „Geht es dir nicht gut?“, fragte Ares besorgt.

    Metros winkte ab. „Lass. Ich will das zu Ende bringen.“ Ein neuer Schluck und das Glas wurde abgesetzt. „Man war begeistert von meiner Idee. In der Woche darauf begann die Planung des Rings. Zu allem wurde meine Meinung erfragt. Die gesamte fünfte Unterebene habe ich selbst entworfen: ein neues Labor für mich und zwei vollautomatisierte Produktionsstraßen für die verschiedenen Chips.“

    „Onta- und Servicer-Chips, ich weiß.“ Ares nickte verstehend, obwohl die Neuigkeiten wie ein Sturzbach auf ihn herab prasselten. „Jeder Neuankömmling im Ring erhält bei der medizinischen Aufnahmeuntersuchung einen der beiden.“

    „Richtig. Die der Ontas reagieren mit dem Warn-Brennen und später mit Schmerz, wenn sie länger als fünf Sekunden in zu geringer Entfernung bleiben, die anderen nicht.“

    „Das ist alles nicht neu. Erzähl mir, was ich noch nicht weiß!“

    „Lass mich ausreden! Ja, das sind die zwei Chip-Varianten, die die Ontas da unten herstellen. Aber es gibt noch eine dritte.“

    Ungeduldig wartete Ares. Jetzt wurde es interessant. Aufmerksam sah er seinen Vater an und verbot sich, seine eigenen Gedanken weiterzuspinnen. Gedanken, von denen er hoffte, dass sie nicht die Realität waren. Als ihm das Schweigen zu lange dauerte, räusperte er sich. „Vater“, begann er vorsichtig, „was für Chips bauen die Ontas da unten noch?“

    „Einen dritten Chip, der ein von mir entwickeltes Gift in sich trägt.“

    Er prallte zurück und weil die Rückenlehne es nicht zuließ, sprang er auf und brachte Abstand zwischen sich und den Mann vor ihm, der ihm mit einem Male wie ein Fremder vorkam.

    „Gift?“, krächzte er heiser. „Was ... wie -“

    „Setz dich wieder. Ich will nicht zu dir aufschauen müssen.“

    Metros wartete, bis er erneut saß.

    „Für wen sind die?“, wollte Ares wissen.

    „Für Säuglinge. Es sind die Datenchips, die seit dem Edikt der Regierung vor dreißig Jahren jedem Menschen auf der Erde bei der ersten Untersuchung nach seiner Geburt auf dem linken Handrücken implantiert werden. Seit drei Jahren werden sie im Ring hergestellt. Deshalb hat die Regierung so viel in die mobilen Hebammenteams investiert. Sie sind inzwischen überall auf der Welt unterwegs. Millionen Kinder tragen diese Chips bereits in sich.“

    „Überall auf der Welt ...“, ächzte Ares. „Was ... was bewirkt der Chip?“

    „Er löst sich nach fünfundsechzig Jahren auf, plus minus vier bis acht Jahre, damit kein Muster erkennbar wird. Dabei wird das in ihm enthaltene Gift freigesetzt. Die winzige Menge tötet schmerzlos, innerhalb von Tagen und ist nicht nachweisbar.“

    „Du bist ein Massenmörder!“, entfuhr es Ares.

    Metros schüttelte den Kopf. „Ich ahnte, dass du es so siehst. Und in gewisser Hinsicht hast du sogar Recht. Doch die Menschen verhungern, wenn man nicht etwas gegen die wachsende Bevölkerung unternimmt. Der Hungertod ist qualvoll. Mein Gift ist schmerzlos. Deshalb betrachte ich mich als denjenigen, der das Hungerproblem auf dieser Erde wirksam bekämpft. Und dass es bekämpft werden muss, dürfte sogar dir klar sein.“

    Ares ignorierte die sarkastische Bemerkung. „Glaubst du wirklich, diese armselige Ausrede kann meinen Vorwurf entkräften? Du hast ein Gift entwickelt und tötest damit unzählige Menschen! Du, ein begnadeter Wissenschaftler, der vorher sein Können in deren Dienst gestellt hat, bringst sie jetzt um!“ Erneut hielt es Ares nicht auf seinem Platz. Ein paar Mal lief er im Raum auf und ab, doch es half ihm nicht, sich zu beruhigen.

    „Du bist jetzt empört und das verstehe ich. Aber denk in Ruhe nach, Ares. Ich bin sicher, du wirst zu demselben Schluss kommen. Sterben müssen wir alle irgendwann. Es wird mit dem Chip nur etwas ... vorverlegt. Diese Lösung ist human und leicht umzusetzen. Niemand leidet und in absehbarer Zeit muss niemand mehr verhungern, weil die Erde ihn nicht ernähren kann.“ Metros sah ihn ernst an und Ares erkannte, dass sein Vater es vollkommen ernst meinte.

    „Human?! Das sagst du als Mediziner?“ Er schnaubte angewidert. „Die Menschen verhungern nicht aus diesem Grund, sondern weil die Regierung es nicht auf die Reihe bekommt, alle Bewohner der Erde zu versorgen! Solange Goldeinheiten und Korruption das Sagen haben, wird das auch nie geschehen!“ Er hatte Mühe, den Aufruhr, der in ihm tobte, zu bezwingen. „Ich muss hier raus“, stieß er hervor. „Entschuldige mich.“

    An der Tür stoppte er noch einmal. „Die Ontas“, meinte er und drehte sich zu seinem Vater um. „Wenn sie keine Sträflinge sind – was sind sie dann?“

    Metros hob den Kopf. „Darauf hatte ich keinen Einfluss, das musst du mir glauben“, gab er tonlos zurück. „Und es wurde durchgesetzt trotz meines energischen Protestes: Die Ontas sind entführte Menschen, deren Gedächtnis gelöscht wurde.“

    Ares Finger umklammerten haltsuchend den Türrahmen. Ein erstickter Laut entkam seiner Kehle, als er stumm aus dem Quartier des Kyrios floh.

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    Hier geht's zu Kapitel 12

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    3 Mal editiert, zuletzt von Tariq (27. September 2022 um 20:27) aus folgendem Grund: angepasst gemäß den Vorschlägen im Feedback

  • Spoiler anzeigen

    Tariq --- wow! Wow. Was für ein guter Abschnitt.

    Das mit dem gelöschten Gedächtnis war mir schon vorher klar. Offenbar werden die Leute nur entführt und amnesiert, um Arbeitskräfte zu bekommen. Bzw. vielleicht wird ihr Gedächtnis auch gelöscht, damit sie nichts von dem Gift wissen können, selbst wenn sie was zufällig aufgeschnappt haben sollten. =O ?(

    Gefällt mir sehr gut. Gerne weiter so.

    Den letzten Absatz finde ich, könnte man noch spannender gestalten. Ich meine den hellgrün markierten Satz - der erscheint mir doch etwas lapidar. Ich könnte mir vorstellen, dass Metros das irgendwie besonders sagt. Leise? Raunend? Betont? Aber ich kann es leider gar nicht wissen. Das stört mich irgendwie.

    Zitat von Tariq

    An der Tür stoppte er noch einmal. „Die Ontas“, meinte er und drehte sich zu seinem Vater um. „Wenn sie keine Sträflinge sind – was sind sie dann?“

    „Entführte Menschen, deren Gedächtnis gelöscht wurde.“

    Ares Finger umklammerten haltsuchend den Türrahmen. Ein erstickter Laut entkam seiner Kehle, als er stumm aus dem Quartier des Kyrios floh. Diese Bezeichnung finde ich irgendwie... biblisch. Passt, finde ich, nicht. "Des Kyrios" ist zu hochtrabend meiner Meinung nach.

    Liebe Grüße :)

    Was ich schreibe: Eden

  • Oh ja - der große Twist. Das war natürlich spannend zu lesen! Da so eine Schlüsselszene vermutlich wichtig für die Geschichte ist, versuche ich mal genauer hinzugucken. Ich mache es jetzt mal so, dass ich auch die offenen Fragen, die ich zum jetzigen Zeitpunkt habe mal ausformuliere - wohl wissend, dass die sich noch beantworten können. Aber so weißt du, wo ich als Leser so stehe:

    Spoiler anzeigen

    Mal vorab: ich hab keinerlei Erfahrung damit. Ich musste noch nie so einen großen Storytwist schreiben :) . Aber ich stelle es mir UNENDLICH schwierig vor, das schlüssig zu machen. Ich finde das ist dir hier schon sehr gut gelungen.

    Ich habe für meine Forschung gelebt.

    Es war keine Frage für mich: Dieses Angebot musste ich annehmen!

    Metros hat voller Überzeugung nach dem Mittel für die Verlängerung des Lebens geforscht. Er hat dafür gelebt. Jetzt beschließt er innerhalb relativ kurzer Zeit das genaue Gegenteil zu erforschen - ein Gift, das das Leben verkürzt (noch sehr euphemistisch ausgedrückt). So fasst es Ares auch später zusammen. Rein rational wird er möglicherweise kaum eine andere Chance haben, als für die Regierung zu arbeiten, aber das muss doch ein extremer Prozess sein, der da in ihm vorgeht, dass er diesen Wechsel vollziehen muss. Was du gut dargestellt hast: er hat zum Zeitpunkt der Erzählung ja offensichtlich sehr große Gewissensbisse. Aber ich denke es würde Sinn machen, dass er sich auch die Entscheidung damals (vor allem emotional) nicht leicht gemacht hat.

    „Das ist alles nicht neu. Erzähl mir, was ich noch nicht weiß!“

    Wie schaffe ich es, dass die Geschichte so erzählt wird, dass sie gleichzeitig alle Infos für den Leser rüber bringt und andererseits auch im jeweiligen Dialog Sinn macht? Das hast du hier sehr schön gelöst: Metros drückt sich etwas um den zentralen Punkt, versucht Verständnis zu gewinnen (Ares reagiert darauf logischerweise ungeduldig) und schmückt seine Geschichte dadurch etwas aus. Für den Leser springt eine vollständige Story heraus und gleichzeitig wird die Spannung hoch gehalten.

    Es sind die Datenchips, die jedem Menschen auf der Erde bei der ersten Untersuchung nach seiner Geburt auf dem linken Handrücken implantiert werden.

    Eine Frage, die sich sofort aufdrängt: was ist die cover-story dazu? Warum lassen die Eltern zu, dass man ihren Babys einen Chip implantiert?

    Er löst sich nach fünfundsechzig Jahren auf, plus minus vier bis acht Jahre, damit kein Muster erkennbar wird. Dabei wird das in ihm enthaltene Gift freigesetzt.

    OK, jetzt die Diskussion: Macht das Sinn? Inferno von Dan Brown beschäftigt sich ja mit einer ähnlichen Thematik. Hier wird eine Lösung präsentiert, dass ein bestimmter Prozentsatz der Menschen zeugungsunfähig gemacht wird. Wahrscheinlich würde das allgemein als die humanere Methode angesehen, weil das Recht auf Leben vmtl. höher geachtet wird als das "Recht" zur Fortpflanzung. Aber die Methode hat einen entscheidenden Nachteil: sie wirkt mit einer Generation Verzögerung. Insofern: ja die Methode, die die Regierung hier wählt kann dann im Vorteil sein, wenn der unmittelbare Kollaps bevorsteht. Insofern ist das Szenario nicht unglaubwürdig.

    „Du bist ein Massenmörder!“, entfuhr es Ares.

    Ja - das ist die erwartbare Reaktion. Aber die Enthüllung ist ja so unglaublich, dass ich eine heftigere (körperlich, emotionale) Reaktion erwartet hätte. Oder hat Ares schon so etwas geahnt?

    „Entführte Menschen, deren Gedächtnis gelöscht wurde.“

    Gerade im Zusammenhang mit BuyVis etc. ist das eine interessante Idee. Irgendwie hört sich "Entführte Menschen" so nach Verschwörungstheorie-Klischee an. Ich hätte auch erwartet, dass Metros das etwas beschönigender ausdrückt, weil er ja (zumindest etwas) versucht sein Tun zu rechtfertigen. Aber inhaltlich kann das durchaus Sinn machen.

    was für Chips bauen die Ontas da unten noch?

    Jetzt stellt sich die Frage: Wer weiß alles davon? Um so eine Produktion zu organisieren, müssen einige (auch auf Arbeitsebene) eingeweiht sein. Ares offenbar nicht. Was aber im Nachhinein sehr viel Sinn macht ist, dass der Ring so abgeschottet ist. Also Gefängnis als Cover-Story passt schon gut. Ja - alles in allem echt gut getwistet :D.

    Ich bin gespannt auf die Fortsetzung ...