Wie schreibe ich eine Schlacht?

Es gibt 43 Antworten in diesem Thema, welches 9.905 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (20. März 2021 um 15:34) ist von Etiam.

  • Danke für all das tolle Feedback Cory Thain, @Drachenlady2001, Der Wanderer, Stadtnymphe, Asni und LadyK Ich setze mich dieses Wochenende nochmal dran und versuch den Platzhalter durch eine richtige Kampfscene zu ersetzen.

    Was ich dem Fall unter einer Schlacht verstehe ist wie gesagt mehr ein Überfall auf ein ziviles Setting. Es wurden vorher neun Frauen aus einer Festung von Wehr-Krabben gerettet. Aber ihre Peiniger hatten ihnen Fleisch zu essen gegeben das den Fluch getragen hat, sodass sie eine Mondphase später, beim Eintreffen der Flut an der Küste ebenfalls zu Wehrkrabben werden und ihrem Hunger nach Menschenfleisch erliegen.

    Das passiert während einer Hochzeit, also in Anwesenheit von circa. Einhundert ahnungslosen und unbewaffneten Frostriesen innerhalb ihrer eigenen Mauern und außerhalb der Reichweite der Wachtürme.

    -Der Angriff kommt ohne Vorwarnung

    -Aus mehreren Richtungen… wo auch immer die neun Damen gerade waren als die Verwandlung eingesetzt hat

    -So gut wie niemand hat eine Waffe zur Hand und mit bloßen Händen kommt niemand durch die Panzer

    -Viele Krieger sind bereits betrunken

    -Das Tor im Palisadenwall ist zu. Es kommt niemand raus zumindest nicht schnell

    -Die Monster sind ehemalige Freunde und Familienmitglieder der Dorfbewohner

    -Es ist Frühling und das Dorf hungert seit Wochen, niemand ist auf dem Gipfel seiner Kraft

    -Der Protagonist ist „Monrastaner“ (1,70 cm groß) Frostriesen sind selten unter 2 Meter hoch und jede einzelne Schere einer Wehr-Krabbe wiegt mehr als er

    Ich betreibe vorher ein paar Recherchen über die Waffen die ich benutzen will. Hauptsächlich um heraus zu finden ob sie irgendwelche coolen Eigenschaften haben von denen ich nichts wusste und was sich gut in der Geschichte machen würde. Aber ich benutze keine Fachbegriffe die der Leser eventuell nicht versteht und werde einfach unrealistisch wenn der Plot davon profitiert.

    Was den ganzen Roman hindurch sehr realistisch sein soll (und hoffentlich ist) sind Verletzungen.

    -Leute geraden in Panik wenn sie mit Gewalt bedroht werden

    -Schmerzen und Wunden verringern die Fähigkeit und den Willen weiter zu kämpfen

    -Es hält selten jemand mehr als ein oder zwei Treffer aus

    -Narben sind garantiert und zwar nicht nur da wo es gut aussieht

    -Viele verletzte Charaktere sind auch am Ende des Buchs noch nicht wieder genesen oder gar dauerhaft verkrüppelt

    -Seelischer Schmerz existiert und wird auch als „Verletzung“ wahrgenommen.

    Man merkt sicher schon dass es der „Breaking Point“ der Geschichte ist, nachdem es so aussieht als wäre ein Happy-End völlig ausgeschlossen. Daher sind meine Ansprüche da vielleicht auch sehr hoch. Es ist meine erste komplette Geschichte und ich sag mir immer „es ist das dein erstes Buch es muss nicht perfekt sein“ aber irgendwie bereut man dann doch später nicht alles raus geholt zu haben was ging… wie gesagt vielen Dank an alle. Ich setze mich demnächst nochmal dran und poste die Scene vielleicht in den Text-Fragmenten.

  • Feron : Die Idee klingt schon mal ziemlich abgespaced und irgendwie auf interessante Art trashig. Gefällt mir :D

    Mir fällt da spontan ein Kapitel (oder mehrere :hmm: ) in Joe Abercrombies Best Served Cold ein, das ist grob relativ ähnlich. Jedenfalls geht es dort um einen Überfall/Mordanschlag auf ein Bordell/Spielhölle. Das könntest du dir als Inspiration dazu durchlesen, falls es dir nicht so wichtig ist, dass du dich dadurch definitiv beeinflussen lässt.

    Mir kommen dazu auch noch ein paar Gedanken, die ich mal in einen Spoiler packe, so dass du selbst entscheiden kannst, ob du das lesen willst oder nicht.

    Spoiler anzeigen

    Ich würde mehrere Erzählcharaktere einsetzen und versuchen, das Geschehen insgesamt wie ein Puzzle zu erzählen, bei dem auch ein paar Teile fehlen dürfen. Denn die Situation wird sich früher oder später chaotisch entwickeln.

    Jeder Charakter hätte für mich etwas im Sinn, was überhaupt nichts mit dem Kampf zu tun hat. Der Kampf ist einfach etwas, was dazwischen kommt.

    Da es sich um eine Hochzeit handelt, ist niemand wirklich auf einen Kampf vorbereitet, d.h. statt des schmucklosen, aber verlässlichen Schwertes trägt man vielleicht die etwas zierlichere, reich verzierte Klinge, die aber leider nicht so optimal in der Hand liegt oder ein wenig zu brüchig ist... unliebsame Überraschungen sind vorprogrammiert.

    -So gut wie niemand hat eine Waffe zur Hand und mit bloßen Händen kommt niemand durch die Panzer

    --> finde ich auch gut. Hast du dir ne Lösung dafür überlegt? Dazu auch meine Überlegungen zum Ort des Geschehens weiter unten.

    -Das Tor im Palisadenwall ist zu. Es kommt niemand raus zumindest nicht schnell

    --> Warum ist das verschlossen? Wenn es gegen Feinde von außen ist, sollte es evtl. vielleicht doch eine Wache geben, die nicht betrunken ist. Oder gibt es eine andere Erklärung dafür? Vielleicht ist es Tradition bei den Frostriesen, dass ein Teil der Familie (vielleicht jener des Bräutigams) alles daran setzt, eine Brautentführung zu verhindern?

    -Aus mehreren Richtungen… wo auch immer die neun Damen gerade waren als die Verwandlung eingesetzt hat

    Dazu könntest du ein oder zwei Verwandlungen explizit beschreiben, falls du mehrere Erzählcharaktere einsetzt. Wenn nicht,... dann ist vielleicht dein Hauptcharakter gerade dabei, eine der Damen nun endlich zu verführen? Es muss natürlich zum restlichen Stil und in die Gesamtgeschichte passen.

    -Es ist Frühling und das Dorf hungert seit Wochen, niemand ist auf dem Gipfel seiner Kraft

    Hat das in der restlichen Story Relevanz? Mich würde dieses Detail eher stören bzw. einschränken. Zu einer Hochzeit gehört irgendwie ein prächtiges Essen. In dem Zug würde ich auch nochmal genauer über die Hochzeitslocation nachdenken. Ein großer, offener Platz um ein oder mehrere Feuer herum ergibt eine ganz andere Art von Kampf als ein Herrenhaus oder ein Wohnturm mit Speisesaal, Küche, Wein-/Bier-/Voratskeller, Waffenkammer, dunkle Nischen, in die man sich für ein tiefsinniges Gespräch zurückziehen kann, und natürlich Treppen und Fenster. Gerade wenn deine Wer-Krabben riesig groß sein sollten (wenn eine Schere einer Wer-Krabbe ca. 80 kg wiegt, müssen das schon gewaltige Viecher sein).

    -Leute geraden in Panik wenn sie mit Gewalt bedroht werden

    -Schmerzen und Wunden verringern die Fähigkeit und den Willen weiter zu kämpfen

    Auch hier spielt der Ort des Geschehens eine entscheidende Rolle. Je offener das Gelände, desto leichter ist eine kopflose Flucht in alle Richtungen --> evtl. weniger Gedränge. Je geschlossener das Gelände, desto schwieriger eine Flucht, desto mehr Gedränge, desto mehr Panik aber auch Kämpfer, die statt Flucht eben den Kampf wählen. Selbst wenn er aussichtslos ist. Ich würde daher den Willen zu kämpfen nicht zu sehr einschränken, vielleicht auch, weil ich den Frostriesen unterstelle, dass sie einen Lebenserhaltungstrieb haben.

    Soweit mal meine Gedanken dazu. Kurz zusammengefasst: Mach dir über den Ort des Geschehens und über das Ende des Kampfes Gedanken - Wie werden die Monster besiegt?

    Man merkt sicher schon dass es der „Breaking Point“ der Geschichte ist, nachdem es so aussieht als wäre ein Happy-End völlig ausgeschlossen.

    Das verstehe ich nicht so ganz. Für mich klingt deine Beschreibung (in den verschiedenen Posts bisher), dass die Szene zunächst so wirken könnte, als wäre es das Happy-Ending (die Frauen gerettet, es gibt irgendeine Hochzeit und alle leben ihr Leben "happily ever after"). Nur dann passiert etwas, womit niemand gerechnet hat und plötzlich sind alle ziemlich zerstückelt, verstümmelt, körperlich und seelisch kaputt etc. Wenn dann der Kampf trotzdem gewonnen wird, dann ist es ein Happy-Ending, bei dem man sich fragen wird... wtf? ... Ist das noch ein Happy-Ending? Weißt du, was ich meine?

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • 2. Gefühle und Emotionen beschreiben. Macht man ja grundsätzlich schon, aber in einer Schlacht würde ich sogar noch schärfer machen - denke ich zumindest, könnte natürlich auch voll nach hinten losgehen xD

    Aber ein erfahrener Kämpfer, der schon den xten Krieg mitgemacht hat, wird anders denken als ein Frischling.

    Vorsicht bei diesem Punkt. Oft liest man von Charakteren die sich ,während eines Kampfes, in ihren Gedanken oder Gefühlen verlieren und dann den Kampf auch noch gewinnen. Das ist unrealistisch, wer so abgelenkt ist bekommt den nächsten Hieb erst mit, wenn er das Messer im Bauch hat. Wer sich in Gedanken/Gefühlen verliert ist unaufmerksam und die Gegner werden nicht so nett sein und abwarten bis der Prota wieder im hier und jetzt ist.

    lg Werluchs

  • Zitat von Werluchs

    Vorsicht bei diesem Punkt. Oft liest man von Charakteren die sich ,während eines Kampfes, in ihren Gedanken oder Gefühlen verlieren und dann den Kampf auch noch gewinnen. Das ist unrealistisch, wer so abgelenkt ist bekommt den nächsten Hieb erst mit, wenn er das Messer im Bauch hat. Wer sich in Gedanken/Gefühlen verliert ist unaufmerksam und die Gegner werden nicht so nett sein und abwarten bis der Prota wieder im hier und jetzt ist.

    Das ist natürlich ein unbestreitbarer Einwand :)

    Und ich hab ja auch nie geschrieben, dass der Char aus dessen Sicht ich gerade schreibe überhaupt gewinnen soll.

    Aber grundsätzlich stimme ich dir natürlich zu. Schätze, man muss da einfach einen guten Mittelweg finde, damit es nicht ins Lächerliche abdriftet :)

    Ich habe auch nur ganz wage aufgeschrieben, wie ich die Sache angehen würde... ob das schlussendlich klappt, sei dahingestellt :pardon:

  • Was den ganzen Roman hindurch sehr realistisch sein soll (und hoffentlich ist) sind Verletzungen.

    Mir ist noch was kurzes eingefallen - oftmals fügen sich Personen in Schlachten Verletzungen zu, nehmen sie aufgrund des Adrenalinschwalls jedoch erst verspätet wahr. Das kann man besonders gut mit dramatischen Abschnitts/Perspektivwechseln verbinden.

    Aber ich benutze keine Fachbegriffe die der Leser eventuell nicht versteht und werde einfach unrealistisch wenn der Plot davon profitiert.

    Und zu diesem Punkt: Ich denke, wenn du den Namen einer Waffe nennst, ist das eigentlich sogar sehr gut. Es verleiht der Schlacht noch mehr Realität. Kann ja sein, dass es in deiner Welt spezielle Waffentechniken, Kampftechniken was-weiß-ich gibt. Du brauchst sie ja nicht langatmig zu erklären - aber es ist doch ein schöner Zuwachs, der deine Geschichte/dein Setting noch einzigartiger macht.

    Was ich schreibe: Eden

  • Zitat von Werluchs

    Vorsicht bei diesem Punkt. Oft liest man von Charakteren die sich ,während eines Kampfes, in ihren Gedanken oder Gefühlen verlieren und dann den Kampf auch noch gewinnen. Das ist unrealistisch, wer so abgelenkt ist bekommt den nächsten Hieb erst mit, wenn er das Messer im Bauch hat. Wer sich in Gedanken/Gefühlen verliert ist unaufmerksam und die Gegner werden nicht so nett sein und abwarten bis der Prota wieder im hier und jetzt ist.

    Das ist natürlich ein unbestreitbarer Einwand :)

    Und ich hab ja auch nie geschrieben, dass der Char aus dessen Sicht ich gerade schreibe überhaupt gewinnen soll.

    Aber grundsätzlich stimme ich dir natürlich zu. Schätze, man muss da einfach einen guten Mittelweg finde, damit es nicht ins Lächerliche abdriftet :)

    Ich habe auch nur ganz wage aufgeschrieben, wie ich die Sache angehen würde... ob das schlussendlich klappt, sei dahingestellt :pardon:

    Das ist die Kunst dabei, den Mittelweg zwischen gerade richtig und zu viel zu finden. Ich für meinen Teil hoffe das ich den Mittelweg finden werde, wenn ich endlich bei meiner Kampfszene sein werde.

    lg Werluchs

  • Vorsicht bei diesem Punkt. Oft liest man von Charakteren die sich ,während eines Kampfes, in ihren Gedanken oder Gefühlen verlieren und dann den Kampf auch noch gewinnen.

    Das ist ein bisschen zwiespältig. Im Prinzip hast du natürlich recht, es ist nicht so realistisch. Aber das ist etwas, was jeder gerne liest. Auch im echten Leben werden die Sportler nach Wettkämpfen immer gefragt "wie es war" und dann ist meist viel von Gefühlen die Rede. Im Roman kann man das ja schlecht so machen, dass erstmal der Kampf zack, zack abgehandelt wird und sie dann hinterher stundenlang Interviews geben, wo sie ihr Gefühlsleben auseinandernehmen. Ich denke, dass die Darstellung von Kämpfen individuell eine sehr grosse Bandbreite von Möglichkeiten zulässt. Sowohl das "Zackige", wo die Schwerter hart auf hart aufeinanderschlagen hat einen gewissen Reiz, weil dadurch die Gefahr deutlich wird und es realistisch wirkt, aber ich persönlich lese und schreibe auch gerne über die Gefühle. Das muss man halt versuchen geschickt einzuflechten, ohne dabei zu viel Schwung und Schnelligkeit herauszunehmen. Es ist sicher gut, wenn man das schon vor dem Kampf vorbereitet, manchmal geht das ja, wenn man schon weiss, gegen wen man kämpfen muss, dann kann man das Emotionale schon vorbereiten, bevor es losgeht. Bei dem von Feron geplanten Gemetzel kommt aber wohl alles so überraschend, dass ich mir da vor allem Geschrei und Chaos vorstelle... ja, und jede Menge Überraschungen, die niemand je erleben will... hm, auch das hat etwas und könnte richtig spannend werden. Allerdings, da es sich bei den Angreifern um "Familie" und "Freunde" handelt, die in Werkrabben verwandelt wurden (habe ich das richtig verstanden?), dürfte das wohl auch einige sehr heftige Emotionen auslösen - auf die ich da nicht verzichten würde. (sie müssen ja nicht breitgetreten werden, das kann man auch kurz machen).

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Hallo Feron

    bitte versuche nicht den Kampf so realistisch wie irgend geht darzustellen.

    1. Ein Kampf gegen fantastische Monster, wie Wer-Krabben, kann nicht realistisch im Sinne einer Kampfkunst sein. Zumindest aus meiner Sicht.

    Der Protagonist ist „Monrastaner“ (1,70 cm groß) Frostriesen sind selten unter 2 Meter hoch und jede einzelne Schere einer Wehr-Krabbe wiegt mehr als er

    Realistisch betrachtet, reicht ein Schlag und alles ist vorbei. Keine mittelalterliche Waffe hält so etwas auf.

    2. Ein Kampf Schwert gegen Schwert in einem Getümmel, wenn er realistisch geführt wird, ist wenig spektakulär. Auch der geübteste Kämpfer kann dort sein Potenzial nicht wirklich abrufen. Ich trainiere das seit ein paar Jahren und wir haben es in unserer Trainingsgruppe ausprobiert.

    3. Ich für meinen Teil lesen Fantasygeschichten, weil sie eben nicht so realitätsnah sind. Lass ruhig das "Schicksal" an einigen Stellen zuschlagen und den einen oder anderen Protagonisten etwas Glück haben.


    Ich betreibe vorher ein paar Recherchen über die Waffen die ich benutzen will.

    So gut wie niemand hat eine Waffe zur Hand und mit bloßen Händen kommt niemand durch die Panzer

    Welche Waffen schweben dir vor? Ein paar hatte ich schon mal in der Hand. Vielleicht kann ich dir dazu etwas sagen.

    Bei einer Hochzeitsfeier würde ich an improvisierte Waffen denken, z.B. lange Fackel oder Feuerschalen, Bratspieße, große Platten, auf denen das Essen lag usw. Vielleicht finden sich in einer angrenzenden Scheune Erntegeräte wie Sensen, Dreschflegel, Sicheln. Waffen für die es sogar historische Anleitungen gibt.

    Oft liest man von Charakteren die sich ,während eines Kampfes, in ihren Gedanken oder Gefühlen verlieren und dann den Kampf auch noch gewinnen.

    Das stimmt schon. Aber gerade um Panik darzustellen, finde ich so etwas ganz gut.

  • Guten Morgen,

    Ich betreibe vorher ein paar Recherchen über die Waffen die ich benutzen will.

    Ähm, jetzt muss ich mal einhacken.

    Du schreibst auf der einen Seite, es passiert während einer Hochzeit, wo weder Waffen noch irgendwelche Wachtürme in der Nähe, für mich damit auch Rettung wenn erst später oder garnicht eintrifft.

    Es sind irgendwelche Kämpfer als Gäste dabei.

    Was für mich dann realistisch wäre, ist wenn die Krieger trotz ihrer Angetrunkenheit blind nach Messern, oder ähnlichen greifen. (Wer nimmt schon eine Waffe mit auf eine Hochzeit?) Oder diese Waffen ausserhalb irgendwo bereit liegen für den Fall der Fälle. (Weil ja Vollmond ist und die Flut in der zeit eintrifft und die Frostriesen damit immer auf der Hut sind.) Es sollte schon irgendwo logisch klingen. Also Waffen, ja weil.... oder keine Waffen, weil... aber wie kommen sie jetzt an Waffen ran ect.

    Ansonsten klingt das Ganze recht interessant. Bin gespannt was du daraus machst.

  • Oh, da habe ich ja einiges verpasst!
    Ein paar Anmerkungen von mir:

    Wie schon erwähnt kann es gut sein, das man im Adrenalinrausch auch relativ starke Verletzungen nur bedingt wahrnimmt, durch den (körperlichen) Schock verblutet man daran dann auch teils nicht sofort.

    Nette Narben sind eher unwahrscheinlich, dafür muss die Waffe genau diesen sehr sehr kleinen Bereich zwischen vorbei und verstümmelnd erwischen. Kommt natürlich vor, aber halt nicht allzuoft.

    @realistische Waffen: Das Schwert war im Krieg/Schlacht eigentlich nie eine relevante Waffe. Es ist eher eine Prestigesache, etwas für Zweikämpfe (des Adels) etc.
    Und ja, auch ein Bauer kann mit einer Stange (oder natürlich besser einer Helebarde) einen Schwertkämpfer relativ gut in Schach halten. (Die "edlen Ritter" war ja tendenziell immer eher nutzlos in Schlachten, besonders natürlich bei Belagerungen XD )
    In einer Fantasywelt mit diversen Wesen und Monstern würde ich eine Stangenwaffe jederzeit dem Schwert vorziehen.
    (Ggf. als Zweitwaffe, dann aber eher ein Kurzschwert wie z.B. ein Katzbalger, größere sind sonst gerne mal im Weg)

    @Gefühle: Im direkten Kampf hat man normalerweise keine Zeit über die Vergänglichkeit des Seins zu sinnieren, da geht es ja ums Überleben und wenn man da nicht ganz darauf fokussiert ist, die Umgebung wahrzunehmen und darauf zu reagieren, ist das Sein sehr vergänglich... ;)
    Allerdings ist eine Schlacht normalerweise keine stundenlanges verdreschen von Gegnern die sich brav anstellen bis sie dran sind, anders als im Stellungskrieg wo es eine klare Front gibt, werden sich Bereiche bilden wo die eine oder die andere Seite die Überhand hat, da fliehen dann die Feinde und man hat kurz Zeit um verschnaufen und dann den eigenen Leuten zu Hilfe zu kommen die an einer anderen Stelle in Bedrängnis sind.

    Falken haben doofe Ohren

  • Die "edlen Ritter" war ja tendenziell immer eher nutzlos in Schlachten

    Kannst Du so nicht sagen. Von der Zeit als die roemische Legion allmaehlich an Kampffertigkeit verloren hatte und es keine hoch disziplinierte Infanterie mehr auf dem Schlachtfeld gab (400 n. Chr. ) bis zu der Zeit als disziplinierte Landsknechte mit Piken und massiver Einsatz von Schusswaffen (Langboegen und Musketen) die Ritterheere in Schach halten konnten (1346 Crecy) war die Kavallerie die dominierende Waffengattung in Europa - einfach aufgrund ihrer Faehigkeit, die recht untrainierte Infanterie durch den Schock zu brechen.

    (Quelle: 'A History of Warfare' - Field Marshal Montgomery of Alamein)

  • Ich bin mal so frech und grätsche hier dazwischen (und hoffe, dass es mir Feron oder der Thread-Starter nicht übel nehmen :) ).

    Einerseits weil ich den Thread grundsätzlich sehr informativ finde, weil Schlachten ja immer markante Punkte in Fantasy-Geschichten sind. Andererseits, da ich aktuell selbst genau an so einer Schlacht-Beschreibung arbeite und mich der Thread hier sozusagen echt „eiskalt erwischt“ hat. Denn viele der hier genannten Aspekte (eigentlich fast alle :D) haben auch mich bei der Sache irgendwie umgetrieben: Vom unmittelbaren Kampfgeschehen, über die (obligaten?) gedanken-, gefühls- und reflexionsbetonteren Passagen (die Kirisha  Werluchs und @Drachenlady2001 angesprochen haben) bis hin zum erzählerischen „breaking point“.

    Geichzeitig versuche ich aber auch ein bisschen die Rahmenbedingungen zu schildern um Einblick in die Welt zu gewähren, vor allem aber um das problematische Dasein des Protagonisten als Söldnerhauptmann zu veranschaulichen, der sich für einen Feldzug anwerben hat lassen, in dem es kaum Beute gegeben hat – und der versucht, im Rahmen der letzten Schlacht (der Eroberung der gegnerischen Hauptstadt) durch eine waghalsige Aktion alles wettzumachen, was vor allem seinen fragilen Status als Anführer absichern soll. Das ist also seine Vorgeschichte als Figur.

    Ob sich das alles zum „Gesamtbild“, wie Der Wanderer geschrieben hat, fügt - auch was das „nicht-lyrische“ des Kämpfens, wie Cory Thain das genannt hat, und das realistisch Anmutende, über das Thorsten  Asni  spaetzuender  Alcarinque und LadyK diskutiert haben, glaubwürdig ist - weiß ich noch gar nicht so recht, bin aber für Rückmeldungen immer sehr dankbar ^^.

    Von der Aufteilung war es jedenfalls so gedacht, von der Schilderung allgemeiner Umstände und Hintergründe immer „näher“ an den Protagonisten heranzukommen. Gearbeitet ist es zusätzlich auch noch als Rückblende (doh‘!), über die kalkwiese ja unlängst einen Thread gestartet hat :D

    Tja… ich trau mich das hier einfach mal zu posten, weil es ja die Werkstatt ist. Falls das hier der falsche Ort ist, bitte einfach ignorieren.

    0. Einleitung der Rückblende

    Spoiler anzeigen

    Während sie vor ihm auf dem Boden kniete und nacheinander die von der Kälte versteinerten Lederschnüre löste, betrachtete er ihren grauen Schopf, das schüttere Haar, unter dem die fleckige Kopfhaut durschimmerte. Sie erinnerte in ihrem ganzen Wesen entfernt an jemanden auf der Feste, auch wenn er des Gedankens vorerst nicht völlig habhaft werden konnte. Vielleicht eine der Mägde aus Birgas Gesinde? Es gab so viele davon. Die zahllosen Gesichter, alte und junge, sie kamen und gingen, traten aus dem Dunkel hervor, wurden für einen Moment erhellt, verblassten, verschwanden vom Antlitz der Welt, ohne ihre Spur zu hinterlassen.

    Er selbst war erst vor zwei Jahren in Wâlrichs Dienste getreten, vieles auf der Feste war ihm noch unverständlich, manches würde ihm wohl für immer rätselhaft bleiben. Er erinnerte sich an die ersten Wochen nach seiner Ankunft, wie ihn die stumpfe Gleichförmigkeit der Tage innerhalb der Mauern anfänglich befremdet, ja fast abgestoßen hatte. Oftmals erwachte er nachts schweißgebadet mit fliehendem Herzen, verließ getrieben von Unrast seine Kammer, begab sich im silbernen Mondschein auf den Wehrgang, um durch die Zinnen Ausschau zu halten und den schwarzblauen Horizont mit aufmerksamen Blicken abzutasten. Was oder wen erwartete er?
    Er wusste es nicht, aber er fühlte sich gefangen ohne es zu sein.

    Am meisten beunruhigte ihn, dass er zu träumen begann. Bis dato glich sein Schlaf einem See aus Nacht, einer allumfassenden, schwarzen Hand, die ihn umhüllend aufnahm und erst am Morgen wieder freigab, ohne dass er sich der Stunden in ihrem Griff entsinnen konnte. Auf der Feste schlichen sich seltsame Bilder in seinen Schlaf, ein Gemisch aus Vergangenem und vagen Vorausdeutungen auf eine nebulöse Zukunft, das er nicht recht einzuordnen wusste.
    Erst allmählich begann Heldrik die Sicherheit und Ruhe innerhalb der Mauern zu genießen, dem verlockenden Gefühl von Heimat oder zumindest von Zuflucht nachzugeben, das nach dem Desaster von Rokaduinn auf ihn wirkte wie ein willkommenes Narkotikum.



    I. Vorgeplänkel, Rahmenbedingungen

    Spoiler anzeigen

    Der Fall von Rokaduinn…

    oft sah er in seinen Träumen die gewaltigen Steinmauern der prunkvollen Stadt wieder vor sich erstehen, mit magischem Schwung ziegelten sich die geschleiften Türme hoch und die zersprengten Torflügel fanden aus seiner Erinnerung erneut ihren angestammten Platz in den mächtigen Angeln. Der langsam verblassende Mittelpunkt eines zerfallenden Reiches, dessen Schätze sagenhaft sein sollten und dessen Ruf wie ein einziges Märchen klang – und wie ein Köder wirkte, der Begehrlichkeiten von diesseits und jenseits der Grenzen weckte. Letztlich ein Opfer seiner eigenen Herrlichkeit aus vergangenen Zeiten, ein unrühmliches Ende für eine glanzvolle Dynastie und ein mächtiges Reich.

    Nach zwei Monaten kräftezehrender Belagerungsarbeit war ihnen schließlich die Erstürmung des geschwächten Osttors geglückt, begünstigt durch den glücklichen Zufall eines wohl durch Nachlässigkeit im Torhaus ausgebrochenen Brandes, der binnen weniger Stunden die Torflügel fast vollständig vernichtet hatte. Kurz vor dem drohenden Wintereinbruch zeichnete sich dadurch die Entscheidung in einem endlos langen Kriegszug ab, der bis dato so viele Opfer gefordert aber kaum Beute zutage gefördert hatte. Auch für Heldrik nicht. Natürlich, sie hatten in mehreren Schlachten gesiegt, das Sandfeld von Unin gegen vier Attacken behauptet, am Pass von Ato-Ator die Verteidigung zermürbt und die Bastionen überwunden – aber was galten Siege ohne Beute? Leere Triumphe, die vielleicht dem Ruhm von Königen oder Generälen dienen mochten. Für Heldrik und seinesgleichen kamen sie hingegen Niederlagen gleich, schwere Arbeit für kargen Lohn. Vielleicht ging es bei diesem ganzen vermaledeiten Krieg überhaupt nur darum: Überlegenheit zu demonstrieren, eine alte Ordnung hinfortzuspülen. Und die Männer spürten es. Der Unmut im Lager wuchs seit Wochen, breitete sich von Zelt zu Zelt wie eine Seuche aus und konzentrierte sich schließlich auf diesen finalen Akt: die Erstürmung von Rokaduinn, ihre allerletzte Chance auf Beute, bevor das Heer seinen Zweck erfüllt hatte und aufgelöst wurde. Eine gefährliche Mischung aus Ungeduld, Gereiztheit und verzweifeltem Übereifer hatte von ihnen Besitz ergriffen – und entlud sich wie ein Blitzschlag in diesem heiß herbeigesehnten Moment, als fast das gesamte Heer durch die schmale Bresche ins Innere der Stadt drängte. Hindurchgesaugt vom Verlangen nach Beute und befeuert vom Ruf der sagenhaften Schatzkammern der Stadt.

    Unter ihnen auch Heldrik, an der Spitze seiner berittenen Schar. Rücksichtslos vorwärtspreschend fuhren sie wie ein Pflug durch das eigene Fußvolk, entgegen aller Befehle, die Kavallerie außenvorzuhalten. Niemals hätte er seine Männer jetzt noch bändigen können. Heldrik schien es besser, er führte sie wenigstens selbst, trotz des enormen Risikos zu Pferd in eine fremde, unbekannte Stadt einzureiten – und sich damit zusätzlich geltenden Befehlen zu widersetzen. Mit steinerner Miene hatte er am frühen Nachmittag die Anweisung im Zelt der Heerführer empfangen, nur auf ausdrückliches Kommando ihre geschützte Position in den östlichen Hügeln aufzugeben. Für seine Treue versprach man ihm einen gerechten Anteil, wobei die Verteilung unter seiner Truppe die eigene Sache wäre. Sollte also heißen: Nachdem sie monatelang ihre Schuldigkeit getan und ihre Dienste geleistet hatten, wollte man ihnen jetzt, wo es endlich an der Zeit war, sich gütlich zu tun, ihr Recht auf Plünderung vorenthalten und sie mit Brotkrumen abspeisen. Mit dem, was übrigblieb. Was meistens nichts war. Einer der Wortführer im Kriegsrat, über und über in wallendes Purpur gekleidet und auf einem reich verzierten Holzstuhl thronend, herrschte ihn brüsk an, ob er verstanden habe, was man von ihm verlange. Heldrik zügelte seine Wut, antworte mit einem gehorsamen Nicken und wurde nach einem lange währenden, prüfenden Blick mit einem Wink entlassen. Unverzüglich gab er den Seinen Befehl, heimlich aufzusatteln und sich bereitzumachen.

    Rasend schnell verbreitete sich die fatale Kunde vom erzielten Durchbruch innerhalb der Reihen der Verteidiger. Noch hätte sich die Eroberung sicherlich aufhalten oder zumindest wirksam verzögern lassen. Immerhin verfügte Rokaduinn auch im Inneren, wie Heldrik nach und nach feststellte, über ein wahrlich ausgezeichnetes System an Gräben, befestigten Toren, Wehrgängen und gestaffelten, wallverstärkten Verteidigungslinien – gespickt mit tückischen Mordlöchern und Fallgittern. Die Stadt war auf ihr Eindringen gut vorbereitet, zudem Rokaduinn seine Streitmacht noch einmal entschieden verstärkt hatte. Kurz bevor sich der Belagerungsgring endgültig schloss, hatte ihr Herrscher für aberwitzige Summen Söldner angeworben, in dem Versuch, einen Teil seines Reichtums preiszugeben, um den Großteil davon bewahren zu können. Auch an Heldrik ergingen heimlich solch verlockende Angebote zum Seitenwechsel, ausstaffiert mit Schmeicheleien und volltönenden Versprechungen. Der Versuch sich vom Untergang freizukaufen. Und wäre er nicht möglich gewesen? Hätte Rokaduinn ihn nicht tatsächlich von Kopf bis Fuß in kostbare Gewänder hüllen, ihn mit Edelsteinen übergießen, ihm reiche Ländereien gewähren können, wie es ihm zugesagt wurde? Waren es wirklich nur die übertriebenen Versprechungen eines Dahinsiechenden, der beteuert, alles für die bitter benötigte Medizin und seine Genesung geben zu wollen, wenn er nur jemals wieder vom Lager hochkam? Weder Heldrik – noch sonst jemand im Lager – konnte es tatsächlich wissen.

    Eben das wurde der gigantischen Stadt letztlich wohl zum Verhängnis: die Uneindeutigkeit der Lage gepaart mit der verbreitete Kunde ihres unsagbaren Reichtums. Unerheblich ob es die goldgefüllten Palastkammern und die perlenbesetzen Gewänder nun tatsächlich gab oder nicht, allein die bloße Möglichkeit ihres Vorhandenseins war wirkungsvoller als jede Belagerungswaffe. Sie vereitelte eine gelingende Verteidigung ebenso, wie eine halbwegs kontrollierte Eroberung, denn nur wenige Minuten nach dem Moment der Erstürmung – als klar wurde, der Durchbruch würde sich vergrößern und die Stadt war nicht völlig zu halten – begannen die Armeen der Angreifer und Verteidiger schon zu zerfallen. Wie auf ein vereinbartes Signal hin lösten sich Banner und Formationen auf, zersprengten sich in einzelne Gruppen, die innerhalb der Stadtmauern rasch auf eigene Faust zu marodieren begannen, vorangetrieben und beseelt von nur einem einzigen, brennenden Wunsch: dem nach reicher Beute. Die Truppen verließen ihre Posten und lösten sich in einer Orgie der Gier auf, der Gier nach Reichtum, Gier nach Fleisch, Gier nach Gewalt, gleichgültig, ob sie die Mauern zuvor verteidigt oder erstürmt hatten. Fast alles Söldner vom selben Schlag, die zu einer einzigen, raubenden Meute wurden, die durch die Straßen zog. Im Vorüberreiten sah Heldrik aus den Augenwinkeln, dass nun auch das Haupttor im Begriff war zu fallen, auf dem weitläufigen Platz wogte bereits ein chaotisches Getümmel, in dem keinerlei Frontlinien mehr erkennbar waren. Ringsum regneten Pfeile aus den Fenstern der Stadthäuser, von der Burgmauer herab feuerten Bogenschützen wahllos in die Menge.



    II.a. Eigentliche Schlacht und Plünderung

    Spoiler anzeigen

    Die wenigen Stunden dieses scheidenden Tages – und vor allem der darauffolgenden Nacht – hatten Heldrik mit der Schärfe eines Brennglases gezeigt, dass alle Götter, zu denen sie demütig um Beistand flehten, schwach und machtlos sein mussten. Vielleicht waren sie wahrlich nicht mehr als Geschichten, um Kinder und Alte zu ängstigen, oder Erfindungen, um die Armen zu knechten. Falls sie wirklich verborgen in den Nebeln auf den Bergspitzen hausten, waren ihre Ohren taub und ihre Herzen hart. Wahrscheinlich lachten sie über das Elend der Menschen. Denn der einzige Gott, der leibhaftig auf dieser Erde wandelte und dem sie alle völlig Untertan waren, hieß: das Gold. Ihm dienten ihre Schwerter, für ihn gaben sie bereitwillig ihr Leben oder nahmen ein anderes. Es war kein wohlwollender Gott. Unablässig dürstete es ihn nach Blut und Verderben, sein Verlangen war unstillbar, sein Hunger wuchs mit jedem Hieb, Gnade war ihm fremd.

    Heldriks Trupp schlug sich zuerst auf den breiten, sacht ansteigenden Hauptstraßen voran, in verbissene Häuserkämpfe mit versprengten Resten der Verteidigungsarmee verwickelt, aber auch im Handgemenge mit anderen Angreifern, die ihnen das Plündergut streitig machen wollten, oder Einwohnern der Stadt, die ihre Häuser und das letzte bisschen ihres Besitzes zu schützen suchten. Es gab keine Angreifer und Verteidiger mehr, es gab nur mehr Gegner: Hindernisse, die auf dem Weg zum größtmöglichen Gewinn ausgeräumt werden mussten.

    Die beschlagenen Pferde von Heldriks Männern fanden auf dem glatten Straßenpflaster kaum Halt, die Tiere gerieten ins Rutschen und Funken stoben unter den metallenen Hufeisen hervor. Trotzdem ritten sie in scharfem Galopp einen steingepflasterten Weg hoch, von dem sie meinten, er müsste direkt zu den Tempelhallen und ihren Kostbarkeiten führen. Fliehende hetzten quer über die Straßen, wer sich nicht rechtzeitig zur Seite in eine Gasse oder einen offenstehenden Hauseingang warf, wurde Opfer der Hufe. Immer wieder blickte Heldrik prüfend nach oben, umschiffte Türme und Wehrgänge, damit er sie nicht in einen tödlichen Pfeilhagel oder ein Gewitter aus Speeren und Steinen führte.

    Auf dem Tempelhügel hatte sich eine wohl letzte Widerstandslinie der Reserve formiert, eine diszipliniert agierende Garde schlug zwei ihrer wütend vorgetragenen Angriffe mit langen Spießen zurück. Heldrik brüllte vor Zorn, ließ aber von dem aussichtslosen Scharmützel ab. Einen großen Verlust an Kriegern, Pferden und vor allem Zeit konnte er sich keinesfalls leisten. Es musste schnell gehen, wenn er Erfolg haben wollte, sie mussten ihr Werk schon vollendet haben, bevor der Hauptteil der Armee die oberen Viertel der Stadt überhaupt erreichte. Darum trieb er seine Männer die Innenseite der Hauptmauer entlang, in ein Stadtviertel, in dem prunkvolle, oftmals sogar zwei Stockwerke hohe Wohnhäuser und Werkstätten standen. In heißer Erwartung brachen sie die Türen auf, erschlugen, plünderten, vergewaltigten, schonten niemanden. Heldrik hetzte seine Mannen von Haus zu Haus und hieb wie im Rausch vom Sattel herab auf jeden ein, der in seine Reichweite gelangte. Er keuchte und von seinem Schwertarm troff das Blut.

    Die Nacht geriet zu einem einzigen Inferno, bald taghell vom Wüten einer gewaltigen Feuersbrunst erleuchtet. Die Flammen schossen meterhoch aus brennenden Dachstühlen in den Himmel auf, große Teile der Befestigungsanlagen standen alsbald im Vollbrand. Rhokaduinn zerfiel förmlich, löste sich wie ein glosender, zerfallender Leichnam auf. Die Hitze auf den Straßen war mörderisch, der fast schwarze Qualm zog als beißende Schwaden durch die Gassen. Flach wirkende, körperlose Schatten liefen hektisch umher, scharf vom Gegenlicht der Feuerwände abgezeichnet, Metall blitzte zwischen ihnen auf, die Umrisse stürzten, blieben liegen, bis sie Trümmer einstürzender Gebäude begruben.

    Die Dunkelheit verwischte alle Unterschiede und ließ die letzten Schranken fallen. Immer öfter wurde Heldriks Einheit selbst das Ziel von Angriffen. Vielleicht erregten die erst halb gefüllten Satteltaschen, die bei jeder Bewegung hell und verlockend klimperten, trotz des ohrenbetäubenden Lärms zu viel Aufmerksamkeit? Heldrik befahl, zusätzlich Stroh zur Dämpfung in die Taschen zu stopfen, alles was zu sperrig und zu schwer war, musste ohnehin zurückbleiben. Trotzdem büßten sie wieder große Teile ihrer gemachten Beute im Kampf ein, allein bei einem blutigen Scharmützel um eine Münzstätte verloren sie binnen kürzester Zeit sieben Mann und ein Dutzend Pferde, ohne den Platz letztlich behaupten zu können. Ein weiterer Fehlschlag.



    II.b. Visionärer Moment

    Spoiler anzeigen

    Nach Stunden des Brandschatzens wurde Heldrik allmählich klar, dass sie sich verrannt hatten und kaum etwas gewonnen, aber viel verloren hatten. Die Stadt musste schon vor ihrer Ankunft weitgehend ausgeblutet gewesen sein. Als er schnaufend an einer Steinmauer lehnte, mit der Rechten sein scheuendes Pferd am Zaumzeug hielt und mit der Linken den Schild erhob, da einmal mehr von der gegenüberliegenden Seite eines kleinen Platzes Pfeilsalven in ihre Richtung abgeschossen wurden, überfiel ihn ein Moment fast visionärer Klarheit: Der Krieg mochte ihn, Heldrik, vielleicht an seinem Busen nähren – aber er ließ ihn nicht lange genug trinken, um fett und satt werden; er spuckte Gold, Silber und Geschmeide für ihn aus, nur um sie ihm kurz darauf wieder aus den Fingern zu reißen: Handgeld für die Anwerbung neuer Männer, Sold für die bestehende Truppe, Geld für Informationen, Quartier, Verpflegung, Unmengen an Wein, Vergnügungen… Er durfte vom süßen Reichtum bloß kosten, um ihn nach einem flüchtigen Moment wieder abtreten zu müssen. Der Krieg nährte den Krieg – nicht ihn als Krieger.

    Heldrik schloss für einen Moment die Augen, durch die Lider zuckten die Reflexe des Feuers, er spürte dumpfe Einschläge auf der Fläche seines Schildes, hörte das Splittern des Holzes, das Reißen des Leinens, als die Pfeilspitzen eindrangen. Eilig zogen sie sich hinter eine Häuserkante zurück. Mit einem Male kam er sich endlos deplatziert vor. Sein ganzes Dasein gemahnte ihn an die Legende des gelehrten Wanderers, der einen Wüstenmarsch vor sich hat und dafür so viel an Wasser benötigt, dass er schließlich ein Maultier braucht, um es tragen zu können. Allerdings muss auch das Maultier trinken, somit ist mehr Wasser vonnöten und ein weiteres Maultier, um das Gewicht der zusätzlichen Wasserschläuche durch den Sand schleppen zu können. Desto mehr Maultiere, desto mehr Wasser. Desto mehr Wasser, desto mehr Maultiere. Er kannte das Ende der Geschichte nicht, womöglich hatte sie gar keines, aber in diesem Moment schien ihm nur ein einziger Schluss denkbar: Der Wanderer würde verdursten, kläglich im Sande zugrunde gehen, umgeben von saufenden und schmatzenden Maultieren. Heldrik war sich mit einem Mal sicher, dass es auch für ihn schlussendlich nichts zu gewinnen gab. Die Früchte des Krieges rannen ihm durch die Finger wie Wasser – aber erkaufen musste er jedes bisschen davon mit warmem, klebrigem, pulsierendem Blut. Seine überreizten Nerven ließen ihn gequält auflachen, die Trockenheit seiner ausgedörrten Kehle verwandelte den Laut in ein hohles, klägliches Krächzen.

    Der anfängliche Vorteil der Schnelligkeit und Beweglichkeit zu Pferde, auf dem er den Erfolg dieses ganzen Handstreichs aufgebaut hatte, gereichte ihnen längst zum Nachteil. Zu anfällig waren sie in ihren Sätteln für Geschosse, außerdem scheuten die Tiere vor den brennenden Fassaden und dem fettigen Rauch, der sich ihnen in die Augen biss. Handtellergroße Ascheflocken senkten sich herab, schwebten zu Boden wie segelnde Krähen, unablässig regnete es scharfkantige Steinsplitter, die Hitze der Brände zersprengte allmählich die Mauern, Geschosse schwirrten durch die Luft. Ein tödlicher Glutofen.
    „Zu Pferd in eine belagerte Stadt einreiten – das ist der blanke Wahnsinn“, wagte Wulph noch vor ihrer Attacke zögerlich einzuwenden, während er den Kinnriemen seines Helms fixierte und sie gegenseitig den straffen Sitz der Bänder und Schnallen an ihren Rüstungen ein letztes Mal überprüften.
    „Ja, vielleicht“, hatte ihm Heldrik ungerührt beigepflichtet, „aber ich schätze den Wahnsinn, Wulph. Denn obwohl er allgegenwärtig ist, rechnet nie jemand mit ihm. Dieser Wahnsinn, Wulph, ist unsere einzige Chance, für die ganze Mühsal doch noch angemessen entlohnt zu werden.“
    Nicht er selbst, sondern Wulph hatte Recht behalten, auch wenn ihm das nichts mehr nützte. Er lag begraben unter seinem niedergestochenen Pferd irgendwo tot in den Trümmern dieser Stadt. Heldrik fragte sich, ob das nicht auch für ihn das bessere Schicksal gewesen wäre.



    II.c. Höhepunkt

    Spoiler anzeigen

    Verschwommen durch eine Mauer aus Qualm und Rauch gewahrte er zu seiner Linken plötzlich eine dahinstolpernde Gestalt in einer engen Häuserschlucht, die mit hektischen Bewegungen eine wuchtige Kiste hochstemmte und sie in Sicherheit zu bringen versuchte. Heldrik schnalzte mit der Zunge und bedeutete zwei seiner Gefolgsmänner, dem glücklichen Fang von der anderen Seite her den Weg abzuschneiden.
    Er selbst schwang sich mit einer fließenden Bewegung in den Sattel, gab dem Pferd unbarmherzig die Sporen und preschte hinter dem Flüchtenden in die schmale Gasse. Vom Geräusch der näherkommenden Hufe alarmiert, sah der Mann mit erschrockener Miene über seine Schulter zurück und gewahrte den in vollem Galopp heranstürmenden Heldrik. Von der schieren Panik beflügelt verdoppelte er sofort seine Anstrengungen und begann mit weit ausgereiften Schritten fieberhaft zu rennen. Trotzdem schmolz sein beachtlicher Vorsprung rasch zusammen, insbesondere da er sich beharrlich weigerte, endlich die Last der schweren Truhe fallenzulassen. Heldrik schrie triumphierend auf: Ihr Inhalt musste äußerst kostbar sein, wenn der Flüchtende dafür so offenkundig sein Leben riskierte.
    In der engen Gasse gab es für den Verfolgten keine Gelegenheit seitlich auszuweichen, seine einzige Rettungsmöglichkeit bestand darin, schneller als Heldrik an deren Ende anzukommen, um in scharfem Winkel abzubiegen und sich irgendwo zu verbergen. Vielleicht hätte er es sogar tatsächlich geschafft – nur eine Handvoll Schritte trennte ihn noch von der rettenden Öffnung in der Häuserfront – wären nicht in diesem Moment Heldriks abkommandierte Reiter mit erhobenen Schildern und Schwertern in dem rettenden Durchgang erschienen. Heldrik richtete sich bereits im Sattel etwas auf und klemmte den Schaft seiner Stoßlanze zur besseren Stabilisierung unter die rechte Achsel, während er mit der Spitze auf den Rücken des Fliehenden zielte und gleichzeitig versuchte, das wellenartige Auf und Ab der Reitbewegung auszugleichen. Als der Rhokaduinner erkannte, dass es auch nach vorne für ihn kein Entkommen mehr gab, bremste er abrupt ab, umschlang die Truhe schützend mit beiden Armen und sah sich verzweifelt nach einem neuen Fluchtweg um. Gerade als er herumfuhr, war Heldrik heran – und stieß mit voller Kraft zu. Der wuchtige Lanzenstoß traf den Mann von oben direkt in den Hals, die geschmiedete Spitze fuhr fast ohne spürbaren Widerstand zwischen Schlüsselbein und Kehle in das Gewebe und das Blatt durchstieß den Körper auf mehr als einer Armeslänge. Heldrik ließ sogleich den lederumwickelten Schaft los, andernfalls hätte ihm der Schwung seiner eigenen Reitbewegung die Waffe aus der Hand gerissen oder ihn schlimmstenfalls aus dem Sattel gehoben. Wie vom Blitz geschlagen brach der Getroffene in die Knie und schlug vornüber, seine Truhe polterte zu Boden und schlitterte einige Meter über das glattpolierte Straßenpflaster.

    Heldrik brachte zufrieden sein Ross zum Stehen, sprang aus dem Sattel, zog mit einem kräftigen Ruck seinen Speer aus dem leblos werdenden Körper und sprengte mit zwei wuchtigen Schlägen des Schildrands das Schloss auf der Vorderseite der messingbeschlagene Kiste auf. Erwartungsvoll riss der den Deckel aufzureißen – nur um sekundenlang völlig verständnislos ins Innere des Behältnisses zu starren. Er hatte Gold, Pokale aus Silber, Schmuck, vielleicht Münzen oder zumindest kostbares Werkzeug oder gefärbtes Tuch erwartet. Irgendetwas, das es wert war, sein Leben dafür zu geben. Aber alles was ihm aus der Truhe entgegenblickte, war das verweinte Gesicht eines kleinen Mädchens mit angstgeweiteten Augen. Sonst war die Kiste völlig leer. Beschämt presste Heldrik seine Lippen zu zwei schmalen Strichen zusammen und senkte die Waffe. Das Kind war vielleicht drei oder Jahre alt, von zierlichem Wuchs und sein verständnisloses Antlitz von braunen, vollen Locken gerahmt. Aus einer Schramme auf seiner weißen, zarten Stirn lief ein kleines Rinnsal aus hellem Blut und mischte sich mit den Tränen zu einem blassen Rot. Mit einem Male schien Heldrik das Getöse der Schlacht unendlich fern, das Brüllen der Welt ringsum nahezu am Verstummen. Eine Hand hinter seiner schweißnassen Stirn begann das Bild der trümmerübersäten Häusergassen und des rotglühenden Firmaments über den Dächern zu drehen, versetzte es in einen Wirbel, der schneller und schneller zu werden drohte. Nur mit Mühe fing sich Heldrik wieder, indem er sich schwer auf seinen Speer stützte und seinen schnellgehenden Atem in eine kontrollierte Regelmäßigkeit zurückzwang.
    Sein Blick fiel auf den leblosen Körper des Erschlagenen: War es seine Tochter, die er so in Sicherheit hatte bringen wollen, vom Holz der Kiste vor den umherfliegenden Geschossen und Splitter geschützt? Oder hatte er inmitten des Tumults ein fremdes Kind geraubt und es darum in der Truhe verborgen? Womöglich war er ein Diener einer adeligen…- In diesem Moment spürte Heldrik eine Berührung an seinem Knie, die ihn reflexartig zurückzucken ließ. Irritiert sah er nach unten: Das Mädchen hielt die Hand nach ihm ausgestreckt, hatte sein Gewand zu fassen bekommen und blickte zu ihm. Ihre Augen schimmerten. Da sagte es etwas zu ihm, etwas wie Qua? oder Gua?, ein ganz leiser, fragender Laut, fast von den Tränen erstickt und in einer Sprache, die Heldrik völlig fremd war. Und doch verstand er den Inhalt ihrer Frage nur allzu genau. Schweigend starrte sie an und überlegte für eine Weile, bis er spürte, dass seine zwei Männer mittlerweile hinter ihn getreten waren und offenbar seinen Befehl erwarteten. Natürlich, sie konnten hier nicht blieben. Einer hob fragend seine Klinge und deutete mit der Spitze auf das Kind. Heldrik zuckte unentschlossen die Achseln, schüttelte aber nach einem kurzen Zögern entschlossen den Kopf. Mit einem lange währenden Blick auf das weinende Mädchen ließ er sich schließlich selbst auf die Knie sinken und drückte den Deckel der Truhe wieder zu, sacht und sorgsam, als bette er behutsam sein eigenes Kind auf einem Lager zur Ruhe.

    Dann endlich gab er das Kommando zum Rückzug. Es war genug.


    II.d. Überfall und Flucht

    Spoiler anzeigen

    Seine Truppe war auf eine halbe Hundertschaft an Getreuen zusammengeschmolzen, der Rest war gefallen, versprengt oder drang auf eigene Faust tiefer in die Ruinen der Stadt vor. Sie würden nicht fiel ernten, außer ihren eigenen Tod, dachte Heldrik bitter.
    Kurz vor Morgengrauen entkam er mit dem kläglichen Rest seiner Männer durch eine Lücke in der südlichen Festungsmauer, nahe einem brennenden Stallgebäude, aus dem das gequälte, panische Brüllen des Viehs kam. Mit den erschöpften, verängstigten Pferden setzten sie umständlich über die Reste eines verkohlten Holzgerüstes hinweg und ritten im toten Winkel unter der Festungsmauer entlang.

    In einem letzten, verzweifelten Manöver wagte Heldrik noch den Versuch, den Tross des vormals eigenen Heeres zu überfallen und die Soldgelder im Handstreich zu rauben, um allen Verlust wettzumachen.
    Offenbar war die Disziplin ihres Heeres bereits völlig zusammengebrochen, denn es gab kaum Widerstand, als sie in das verwaist scheinende Lager eindrangen. Aber jemand war ihnen wohl zuvorgekommen. Die Kriegskasse war bereits fort. Die Schatzkisten lagen mit zerschlagenen Schlössern und gesprengten Eisenbändern verstreut umher, geleert bis auf den letzten Rest. Dort und da fand sich eine vereinzelte Münze im Staub, blinkte im Licht der Fackeln wie ein höhnischer Gruß. Zu spät.

    Wieder hagelte es Pfeile von irgendwoher, eine Falle? Heldrik riss einmal mehr seinen Schild hoch, Geschosse zischten an ihm vorbei, die Salve bohrte sich hinter ihm in das Erdreich, jemand schrie gequält auf, zwei Pferde rissen sich los und rannten alles nieder, was ihnen auf der Flucht im Wege stand, ehe sie als hetzende Schatten in die Nacht verschwanden.

    Die fast vollständige Dunkelheit in dem Lager verstärkte sich durch den übermächtigen, rotlodernden Schein der brennenden Stadt in ihrem Rücken. Um kein Ziel zu bieten, hatte Heldrik befohlen, all ihre Fackeln sofort zu löschen. So war es allerdings fast unmöglich, die Lage richtig einzuschätzen. Heldrik starrte mit gehetzten Augen in die mondlose Nacht hinaus, sein Herz schlug als würde es zerspringen, in seinem Mund sammelte sich bitterer Speichel. Er hatte das Gefühl zu kochen, gleichzeitig breitete sich aber eine schneidende, stechende Kälte in seiner Brust aus und legte sich schließlich wie ein eiserner Ring um ihn. Das panische Gefühl, nicht mehr atmen zu können erfasste ihn und soeben wollte er sich den Helm vom Kopf reißen, als sich Schritte im Marschtakt hinter einer Reihe an Zeltwänden näherten, begleitet vom metallischen Rasseln Gerüsteter und dem Klirren von Waffen. Heldrik scheuchte seine Männer so rasch wie möglich in eine provisorische Schlachtlinie aus erhobenen Schilden, Klingen und Speeren. Eine Gruppe überraschter Plänkler lief ihnen in die Arme, sie machten ein Dutzend von ihnen im Nahkampf nieder, der Rest floh nach einigen Augenblicken erfolglosen Kampfes kreischend in die Nach hinaus. Während sie noch die Taschen der Sterbenden durchwühlten, ertönte im Hintergrund schon der dumpfe Klang von Hörnern, Kommandos in einer fremden Sprache von zwei Seiten, womöglich schloss sich eine tödliche Zange um sie. Sie mussten weg, schoss es Heldrik panisch durch den Kopf, sonst würde dieser Kessel ihrer aller Grab. Mit aller Macht kämpfte er gegen den roten Schleier vor seinen Augen an, der ihn tiefer in diesen Sturm führen wollte, ihn lockte, gänzlich in diesen Rausch aus Blut und Tod zu verfallen, zu versinken in einem letzten, kolossalen Rasen. Unterzugehen wie in einem Meer aus Hieben, Lärm und Schmerz. Die völlige Auflösung. Ein Ende. Seines? Der Krieg breitete seine Arme für ihn aus, lud ihn zu dieser letzten Umarmung.

    Heldrik musste seine letzten Kräfte aufbieten, um wieder Herr seiner Sinne zu werden. Er zwang sich zur Ruhe, sog die kalte, prickelnde Nachtluft tief in die Lungen, strich sich mit der behandschuhten Rechten über die Augen und kniff die Lider fest zusammen, um so allmählich die roten, tanzenden Punkte aus seiner Sicht zu vertreiben. Es half. Wie erwachend blickte er sich um. Als er den Zustand seiner verbleibenden Männer realisierte, erschrak er regelrecht: Viele standen am Rande der völligen Erschöpfung oder waren schon über diese gefährliche Grenze hinaus. Nur eine explosive Mischung aus rasender Wut und maßloser Enttäuschung hielt sie noch auf den Beinen. Die meisten waren verwundet, hatten Hiebe oder Pfeilwunden einstecken müssen und Teile ihrer Ausrüstung eingebüßt. Ein Dutzend lief gehetzt von Zelt zu Zelt, schlitzte die Leinenbahnen mit langen Messern auf, um so im Inneren des verlassenen Lagers noch irgendetwas zu finden, was des Raubes wert war. In das reißende Geräusch mischte sich vereinzelt Kampflärm. Heldrik wandte sich mit Schauder ab, als er gewahrte, dass einer seiner Krieger wie in Trance immer wieder auf eine fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Leiche am Boden einhieb. Auch wenn er in den vergangenen Stunden weitaus Schlimmeres gesehen hatte, war es dieser Anblick, der ihn die kommenden Nächte verfolgen würde und für ihn zum Inbegriff der Schlacht um Rokaduinn wurde: die völlig sinnlose Rache an einem Toten, der sich nichts anders zuschulden hatte kommen lassen, als nichts zu besitzen, was man ihm noch nehmen konnte.

    Wieder erklang der dumpfe Ton eines Horns, näher diesmal, druckvoller, mächtiger. Er spürte, dass irgendwo Truppen in Marsch gesetzt wurden und sich näherten. Heldrik wusste später nicht mehr wie: Aber unter Aufbietung all seiner Autorität und Befehlsgewalt hatte er die meisten Männer dazu gebracht, von ihrem Tun abzulassen, wieder ihre Pferde zu besteigen und sich mit ihm zur Flucht zu wenden, hinaus aus diesem Sturm, der nichts von ihnen übriglassen würde und sie allmählich aufrieb, wie eine Mühle das Korn. Nicht alle waren ihm gefolgt.


    III Raus aus der Hölle und Outro

    Spoiler anzeigen

    Mit letzten Kräften entkamen sie schließlich westlich, das brennende Rokaduinn im Rücken, den betäubenden Lärm der noch immer tobenden Schlacht, die Schreie, das Rauschen des gewaltigen Brandes, gesäumt vom Bersten der Mauern. Ein wankender Titan, der alles unter sich begraben würde, wenn er im Todeskampf der Länge nach umschlug.
    Sie jagten durch freien, fremden Raum, der ihnen nach dem Fall Rokaduinns nun offenstand, wie durch ein geöffnetes Tor. Heldrik achtete allerdings kaum auf die sich verändernde Landschaft, die immer mehr von der steinigen Dürre der Steppe verlor und langsam in sacht gezogene, grasbewachsene Hügelkämme überging. Fast bewusstlos hing er tief gebeugt über dem schweißnassen Hals seines Pferdes. Irgendwann musste er seinen Schild einfach fallengelassen haben. Seine linke Schulter schmerzte höllisch, er schob die Hand unter den zersprengten Kettenpanzer und zog sie mit einem scharfen Einsaugen der Luft wieder hervor. Blut schimmerte auf seinem Handschuh, glänzte im Mondlicht wie schwarzes Öl.

    Schlussendlich konnten die Pferde einfach nicht mehr weiter, nur mehr äußerst widerwillig setzten sie sich erneut in Bewegung, nachdem sie auf einer Hügelkuppe Halt gemacht hatten, um Ausschau ins Umland zu halten. Zwar war es ihnen vor ein paar Stunden gelungen, die Tiere in einem Innenhof von Rokaduinn bei einem gemauerten Steinbrunnen notdürftig zu tränken, aber das Zittern ihrer Flanken und die Schaumflocken vor den Nüstern waren für Heldrik das deutliche Signal, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie verenden mussten. Ihre Tritte wurden schon fahrig und unrund, eines der Pferde glitt – schon kurz nachdem er den Befehl gegeben hatte, weiterzureiten – auf dem schlüpfrigen Untergrund einer taufeuchten Wiese aus und kam zu Sturz. Wie durch ein Wunder blieb der abgeworfene Reiter unverletzt und konnte noch weiter. Ein kleines bisschen Glück inmitten dieses kolossalen Fehlschlags, dachte Heldrik bitter.

    Sie fanden notdürftig Zuflucht in einen langgezogenen Hain aus Birken und dicht gewachsenem Gestrüpp, stürzten zu einem trüben, sumpfigen Weiler hin, um auf Knien ihren quälenden Durst zu stillen. Im Osten spiegelte das Firmament den Schein des brennenden Rokaduinns wider, der sich langsam in der Ferne mit dem Licht der aufgehenden Sonne vermischte. Die blutige Geburt eines neuen Tages, einer neuen Zeit.
    Heldrik selbst fiel regelrecht aus dem Sattel, übergab sich quälend und verlor fast das Bewusstsein. Minutenlang lag er keuchend auf dem Bauch, das Gesicht fest auf das stoppelige Gras des Untergrunds gepresst, lauschte er in das Pochen seines überhitzten Körpers hinein. Erst dann war er allmählich fähig, wieder einen ersten, halbwegs klaren Gedanken zu fassen: Das Wenige an Beute würde nicht lange reichen, um die Männer zu besänftigen. Er musste Gold beschaffen – und zwar schnell.

  • Ich kann definitiv Joe Abercrombies Heldenklingen (The Heroes) als Referenzlektüre empfehlen. (Extrem kreativer deutscher Titel von Heyne mal wieder ...)

    Das ganze Buch handelt eigentlich von einer einzigen großen Schlacht, die sich über mehrere Tage und Scharmützel erstreckt. Dabei wird die Handlung aus diversen Blickwinkeln erzählt. Da ist alles dabei. Vom Typen, der sich im Schrank versteckt und vor Angst einscheißt, Dem General, der frustriert und tatenlos von seiner Anhöhe nur zuschauen kann, denn wenn die Befehle einmal gegeben sind beleibt ihm nur noch wenig zu tun, vom stahlharten Elitekämpfer, der sich quasi im Alleingang durch die Gegner schnetzelt, vom übernervösen Rekruten, der seinem Nebenmann aus versehen einen Armbrustbolzen in den Hals schießt, vom Kampferprobten und Kriegsmüden Veteranen, der es leid ist seine eigenen Männer immer wieder begraben zu müssen, oder auch von einem faulen Korporal, der im Unterholz hockt und auf Angriffsbefehle wartet, die nicht kommen und noch viele mehr.

    Dabei wird der Krieg schonungslos, brutal und realistisch beschrieben. Man könnte Heldenklingen auch als "Anti-Kriegsbuch" bezeichnen, nach dem Motto: "Ein Held ist jemand, der so viele auf dem Gewissen hat, dass das Wort Mörder einem nicht mehr gerecht wird."

    Für diejenigen, die einem Hörbuch nicht abgeneigt sind: Heldenklingen, Audible

    Gesprochen von David Nathan, deutsche stimme von Johnny Depp u.a.

    Auf auf jeden Fall eine 1A performance vom Sprecher, der das ganze perfekt rüber bringt.

    Was ich auch noch jedem empfehlen kann, der plant eine Schlachtenszene zu schreiben, spielt mal ein paar runden Total War - egal welcher Ableger. In den Echtzeit Schlachten kommandiert man eine Armee, die sich aus diversen Regimentern zusammen setzt und lernt ein bisschen was über Taktik. (Kavallerie-Flankenangriffe und solche Späße)

    Hätten die Drehbuchautoren von Game of Thrones, (David Benioff and Daniel Weiss, D&D, oder vom Fandom nach der letzten Staffel auch liebevoll Dumm&Dümmer, genannt), ein bisschen Ahnung von Taktik und Kriegsführung, dann hätten sie nicht 90% der Dothraki, während der Schlacht um Winterfell, in einem Frontalangriff auf die Weißen Wanderer verheizt.

  • . In den Echtzeit Schlachten

    Echtzeit wie in 'echt' (also so ~8-14 Stunden fuer eine Auseinandersetzung, so lange es halt hell ist) oder wie in sogenannten Echtzeit-Strategiespielen wo Befehle mit Lichtgeschwindigkeit uebermittelt werden und einzelne Gefechte selten mehr als ein paar Minuten dauern so dass man schnell wieder fertig ist?

    dann hätten sie nicht 90% der Dothraki, während der Schlacht um Winterfell, in einem Frontalangriff auf die Weißen Wanderer verheizt.

    Ich empfehle einen Blick auf die Schlacht am Granikos oder auch spaeter Gaugamela um mal zu sehen wie vernichtend ein gut ausgefuehrter Frontalangriff der Kavallerie selbst gegen eine zahlenmaessig deutlich ueberlegenere Truppe ausfallen kann.

    Es ist kein prinzipieller Fehler Kavallerie so zu verwenden, das Problem ist schon subtiler.:D (Brett Devereaux hat in seinem Blog 'A collection of unmitigated pedantry' eine gute Analyse)

  • Es kommt natürlich darauf an, wie dicht die Infantrie-Reihen sind. Wenn die Kavallerie durchbricht ist es schnell vorbei mit einer geordneten Formation. War bei den Weißen Wanderern aber nicht so. Da sind die Dothraki ja voll rein, wurden eingekesselt und haben gut was kassiert ;)

    Sobald Kavallerie eingekesselt ist, ist es vorbei mit der überlegenen Mobilität.

    In eine dünne Infantrie-Reihe, die da schön mit spitzen Speeren auf mich wartet, würde ich aber auch nicht reinreiten wollen. xD

  • Was ich auch noch jedem empfehlen kann, der plant eine Schlachtenszene zu schreiben, spielt mal ein paar runden Total War - egal welcher Ableger.

    Da wäre ich ein wenig vorsichtig. Jedes Spiel simuliert oder modelliert die Wirklichkeit ja nur, d.h. man lernt nicht etwas über richtige Schlachten, sondern über die spezielle Auffassung von Schlachten, die im Spiel eben umgesetzt sind. Das kann natürlich trotzdem helfen, um überhaupt mal ein Grundverständnis zu schaffen, was auf einem Schlachtfeld passieren kann, aber ein "so ist es" erreicht man damit vermutlich eher nicht.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Ich behaupte nicht, dass es so ein Spiel nicht gibt aber ich stelle es mir als sehr sehr frustrierend vor, sozusagen die Schlacht von Azincourt nachzuspielen, in der die Franzosen trotz 2:1 Übermacht gegen die Engländer/Waliser verloren haben, weil sie mit ihrer Kavallerie über einen völlig aufgeweichten, frisch gepflügten Acker gejagd sind und dann wörtlich im Schlamm ertrunken sind.

    The operational Art of War (ToAW) - ein altes, rundenbasiertes sehr realistisches (*) Strategie- und Taktikspiel das historische Schlachen nachstellt ist so - da ist die Seite des historischen Gewinners normalerweise ein gutes Stueck leichter. Die Invasion der Normandie aus Sicht der Deutschen war praktisch nicht gewinnbar (allenfalls verzoegerbar) - trotzdem sehr instruktiv.

    (Bei Agincourt stuende es dem Spieler vermutlich frei seine Kavallerie einfach nicht auf diese Art zu verheizen - der Ausgang der Schlacht ist primaer durch galoppierende Daemlichkeit zu erklaeren, wenn's beim ersten Mal in Desaster endet, dann ist es halt keine gute Idee es das zweite, dritte und vierte Mal zu versuchen...)


    (*) Wer nicht versteht wie Nachschublinien und Truppenmoral funktionieren der stellt in Runde 4 fest dass seine Front am Zusammenbrechen sind...

  • vollkommen realistisch ist Total War natürlich auch nicht, obwohl es z.B. längen über einem Age of Empires liegt.

    Der Ratschlag war auch eher für jemanden gedacht, der von der Materie keinerlei Ahnung hat und dachte, dass eine Schlacht aus 2 Reihen Soldaten besteht, die schreiend aufeinander zu rennen und sich solange kloppen, bis eine Seite tot umkippt.

    Hab leider das eine oder andere Buch lesen müssen, wo der Auto mir einer ähnlichen Mentalität, bzw., einem vergleichbaren Hintergrund Wissen an die ganze Sache ran gegangen ist. Am Ende gewinnt dann die heldenhaftere Seite, die am lautesten schreit, oder die schönsten Reden schwingt ^^

    Wobei man Moral natürlich nicht unterschätzen darf.

  • Es kommt natürlich darauf an, wie dicht die Infantrie-Reihen sind. Wenn die Kavallerie durchbricht ist es schnell vorbei mit einer geordneten Formation.

    Historisch (und das ist wieder fuer die Frage was man schreiben sollte interessant) kam's auf was ganz anderes an.

    Pferde sind ja keine Rammboecke - wenn mehr als sechs Reihen Menschen hintereinander stehen, dann kann ein Pferd im Galopp die nicht durchbrechen, da ist zu viel Masse - egal was die Menschen tun. Alexander's Phalanx konnte sogar (bevor sie bessere Taktiken gefunden hatten) angreifende Kriegselephanten stoppen - selbst die Masse eines rennende Elephanten reicht nicht um eine Truppe von Infanteristen zu durchbrechen.

    Nur - historisch sind ungefaehr 9/10 Schlachtreihen unter einem direkten Kavallerieangriff auseinandergebrochen. Warum? Schierer Terror. Stell' Dir einfach mal vor ein einzelnes Pferd galoppiert direkt auf Dich zu - die wenigsten Menschen bleiben da stehen. Und jetzt machen wir eine ganze Schlachtreihe draus und tun Lanzen dazu - die Art von Soldat die da noch stehen bleibt ist was ganz besonderes.

    Es nuetzt Cornelius Nullius in Reihe Eins ja nichts, wenn er weiss dass die Angreifer die Reihe hinter ihm nicht komplett durchbrechen koennen weil die 10 Mann stark ist - er sieht spitze Lanzen und Hufe in rasender Geschwindigkeit auf sich zukommen und weiss dass er gleich tot ist. In dem Moment ist es ihm egal ob die Reihe jetzt theoretisch haelt - alles sagt ihm 'renn weg!'

    Alexanders Maenner oder die roemischen Legionen waren besonders weil die zu den wenigen Einheiten gehoerten die Kavallerieangriffe in guter Ordnung aushalten konnten. Nach dem Ende des westroemischen Reiches gab es in Europa gute 1000 Jahre lang keine Infanterietruppe die dieses Kunststueck fertig gebracht hat - 1000 Jahre lang sind Schlachtreihen unter Frontalangriffen der Kavallerie zerbroeselt und Truppen aufgerieben worden - erst die Schweizer Landsknechte waren wieder in der Lage standzuhalten (und die Muskete hat den Ritter schnell ueberfluessig gemacht).

    Schwere Kavallerie - und das geht in Computerspielen schlicht unter - ist in erster Linie eine Schockwaffe die durch den schieren Terror wirkt den sie auf dem Schlachtfeld auf Fusssoldaten ausuebt.

    (Die Dothraki sind glaube ich eher berittene Bogenschuetzen - die setzt man anders ein, damit muss man keinen direkten Angriff machen sondern terrorisiert den Feind durch Nadelstiche).

  • ich kann auch noch den Kings and Generals Channel auf YouTube empfehlen. Extrem guter Geschichts-Channel mit einem hohen Fokus auf Schlachten und wie sich diese abgespielt hatten.

    vll mach ich die Tage mal einen Thread mit nützlichen Geschichts- & Worldbuilding-Video-Channeln auf, die sich gut als Referenzmaterial eignen, insofern es sowas hier nicht schon irgendwo gibt.

    Hat sich über die Jahre schon ordentlich was angesammelt, bin da aber auch immer noch auf der Suche nach neuen interessanten Channeln ;)