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Es ist eine alte Wahrheit, daß im Licht eines neuen Morgens die Dinge anders sind als im Dunkel der vergangenen Nacht.
Als Relian die Augen aufschlug, stieg ihm ein würziger Duft in die Nase.
In der Glut ihres Lagerfeuers der vergangenen Nacht lag ein flacher Stein und auf diesem mehrere handgroße Teigfladen, die sich in der Hitze langsam bräunten.
„Ah, Freund Relian!“ sagte Dyndin, während er die kleinen Brote mit flinken Fingern umdrehte.
„Ich hoffe, Ihr hattet eine geruhsame Nacht?“
Die Mundwinkel des Zwergs zuckten belustigt.
Relian streifte die Decke zurück und richtete sich auf.
„Ihr habt mich gestern böse hereingelegt,“ entgegnete er. „Wenn das, was Ihr hier gerade zubereitet, in die gleiche Richtung zielt, verzichte ich dankend!“
Dyndin lachte auf.
„Keine Sorge,“ gab er zurück. „Es sind nur einige Brote zum Frühstück.“
Der Zwerg wendete die Fladen, die mittlerweile einen satten Braunton angenommen hatten.
„Ich gebe zu, der Scherz war grob. Aber vergesst nicht: Ich hatte Euch gewarnt.“
Rasch holte er die fertigen Brote aus der Glut und legte sie zum Abkühlen auf das große Blatt eines Butterbur, das er vorher vom Bach geholt hatte.
Relian fuhr sich mit den Fingern durch die zerzausten Haare und grinste.
„Ist euch Zwergen eigentlich schon mal der Gedanke gekommen, daß dieses Gewürz eine fürchterliche Waffe sein könnte, Dyndin?“
Hinter dem dichten Gestrüpp von Dyndins Bart machte sich ein Grinsen breit.
„Wenn ich das jetzt höre: Nein. Aber der Gedanke an sich ist sehr reizvoll, Relian.“ Er reichte dem Waldläufer zwei der Brotfladen.
„Warum nach Canthares?“ fragte Relian, als sie ihr einfaches Mahl beendet hatten. „Was haben die Zwerge Glamrods mit einem König zu schaffen, dessen Reich nicht einmal das größte ist in dieser Welt?“ Er wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab.
Dyndin stocherte abwesend mit einem Zweig in der Glut des Feuers herum, dann hob er den Kopf.
„Es ist ein alter Pakt, der uns an Canthares bindet,“ entgegnete er. „Er wurde lange vor meiner Geburt geschlossen. Und wenn ich ehrlich bin, weiß ich nichts darüber. Aber er hat nichts von seiner Gültigkeit verloren.“
Der Zwerg blickte Relian an.
„In unseren Bergen geschehen seltsame Dinge,“ sagte er vage. „Wir hören Geräusche in unseren Minen, die es vor kurzem noch nicht gab. Klopfen, wie von schweren Hämmern. Als würden sich neben unseren Gängen noch andere ihren Weg in die Felsen graben. Und über der Erde häufen sich unsere Begegnungen mit den Bath, von denen wir dachten, daß sie endgültig vom Angesicht dieser Welt verschwunden wären.“
Dyndin atmete tief ein.
„Wie es scheint, haben wir uns getäuscht.“
„Und was, Freund Dyndin, glaubst du, wird der König von Canthares dagegen unternehmen?,“ fragte Relian mit emporgezogenen Augenbrauen.
„Ich weiß es nicht,“ sagte Dyndin. „Aber sicher ist, daß etwas geschehen muß.“
„Gut,“ Relian erhob sich und rollte seine Decke zusammen. „Canthares liegt in dieser Richtung...“ Er wies mit dem Finger in das Grün des Waldes.
„Wir folgen dem Bachlauf, bis er sich in den Malde ergiesst.“
Relian sah den Zwerg an.
„Zwei Tagesmärsche etwa.“ Der Waldläufer grinste, während sich das Gesicht des Zwerges zu einer sauren Miene verzog.
„Eine Menge Grünzeug, Dyndin. Eine große Menge Grünzeug! Und jetzt los!“
Relians Lachen scholl hell durch den Wald, als sie sich auf den Weg machten.
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