Schreibkurs zu Kurzgeschichten

Es gibt 121 Antworten in diesem Thema, welches 18.458 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. Oktober 2023 um 21:41) ist von Chaos Rising.

  • Im Fall meines Drachentöters wäre es eine Charakter-Geschichte.

    Wäre er ein gefühl- und gewissenloser Killer, dann wäre das "gerupfte Huhn" schon platt gemacht. Ein einziger Blick aus den traurigen Augen des Babydrachens jedoch erweicht sein Herz. Er ist mit dem Job als Drachentöter so gar nicht zufrieden, nur ist ihm selbst das noch nicht wirklich klar. Umdenken und sich entwickeln wird er erst im Laufe der weiteren Handlung.

    • Offizieller Beitrag

    Kennst du den Film Sieben? Wäre er so eine Geschichte? Ich weiß noch als ich den gesehen habe, kam mir die gezeigte Stadt wie eine eigene abgefuckte Welt vor, auch weil alles (für mich) aus so komischen Perspektiven gefilmt wurde. Man war irgendwie immer so nah dran mit der Kamera, dass ich nicht mal genau sagen könnte, wie diese Stadt nun wirklich aussieht, aber trotzdem war der Flair allgegenwärtig :hmm:

    Das fand ich SEHR interessant

  • Heyho Sensenbach

    Für diese Hausaufgabe möchte ich mir am liebsten einen Timeout nehmen. Das ist absolut nicht meins, dieses Strukturieren, in Formen giessen etc.

    Die MICE Elemente machen sicher Sinn, sind für mich aber jetzt beim Lesen gerade genauso verständlich wie die Regeln, die ich früher bei Mathearbeiten hätte beachten müssen, um in der Klassenarbeit gut abzuschneiden: Zwei Wochen nach dem obligatorischen "Mangelhaft" hatte ich's verstanden. :patsch:

    Wenn's jedoch um's Einordnen geht, würde ich sagen, mein Anfangsplot führt zwangsläufig zu einer "Charakter-Geschichte".

    Jo - das passt.

  • Danke, Sensenbach für diese sehr aufschlussreiche Darstellung. :thumbup:

    Hausaufgabe

    Gehen wir mal zurück zu unserer Geschichte mit dem sentimentalen Drachenjäger. Welche MICE Elemente könnt ihr in euren Anfängen entdecken?

    Na ja,..in jedem Fall sehe ich einen großen Anteil an "Charakter", weil der Anfang ja schon konkrete Einblicke in die Einstellung/Lebensweise des Protas bietet. Es wird deutlich, dass sein Leben vom Kampf und von Verlust geprägt war. Sein Zorn auf die Drachen wird greifbar und die Erleichterung darüber, den Letzten getötet zu haben, dürfte dem Leser nachvollziehbar erscheinen. Und DANN deutet sich mit dem Ei, das er findet, ein innerer Konflikt an: Was wird er damit machen? Wie geht es weiter?

    Wenn man es genau nimmt, setzt an genau der Stelle eigentlich auch schon das "Inquiry" ein, da es ja genau um die Lösung DIESES Problems mit allen daraus resultierenden Folgen im weiteren Verlauf gehen wird.

    Gleichzeitig sehe ich aber auch Elemente von "Millieu", da ja alleine die Darstellung der Drachentötung schon Auskünfte darüber gibt, in was für einer Welt das Ganze spielt.

    Das "Event" zeichnet sich hier noch nicht 100%ig ab, weil man ja an diesem Punkt noch gar nicht weiß, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird. Ich denke, das Element würde erst richtig sichtbar, wenn sich abzeichnet, dass der Drachentöter das Junge tatsächlich mitnimmt und das Ereignis dann darin besteht, die Bauern davon zu überzeugen, dass eine Koexistenz mit den Drachen möglich ist.

    (würde ich jetzt mal so sagen :) )

  • Hausaufgabe

    Gehen wir mal zurück zu unserer Geschichte mit dem sentimentalen Drachenjäger. Welche MICE Elemente könnt ihr in euren Anfängen entdecken?

    Bei Variante 1) bin ich mir ziemlich sicher, dass hier das Charakter-Element stark vertreten ist: es geht um die Wahrnehmung des Drachenjägers, sein Alter, etc. Das ist auch in Variante 2) präsent, allerdings etwas später. Ich würde fast vermuten, dass der Anfang sogar eher ein Milieu-Element ist, da ein Sprichwort ja auch in einem Lexikon der Drachenjäger stehen könnte und somit ist man schon recht nahe bei einem Reiseführer...

    Spoiler anzeigen

    <M>Um einen Drachen zu töten, braucht man drei Dinge: Glück, Glück und noch mehr Glück. So zumindest verkündete es eine alte Weisheit unter den Drachenjägern.

    <C>Gregor, seines Zeichens einer der erfahrensten Drachenjäger, wusste, dass es auch Schnelligkeit, Kraft und eine sehr schwere Keule taten, mit der man einen Drachen mit dem ersten Schlag benebeln, dem zweiten betäuben und dem dritten ein für alle Mal erledigen konnte. Danach konnte man sich getrost gegen den Kadaver lehnen und darauf warten, dass sich das eigene, schnell pochende Herz beruhigte. Und das Dröhnen in den Ohren nachließ. Auch der Schwindel würde früher oder später verschwinden. Zumindest hoffte Gregor das.

    Wann war er so alt geworden? Kraftlos lehnte er den Kopf zurück und konzentrierte sich nun nur darauf, dass er nicht aus Versehen das Atmen sein ließ.

    Wenn ich mir das so anschaue, dann hilft mir das gerade zu verstehen, warum ich mit diesem zweiten Anfang immer unzufriedener werde, je öfter ich den lese: Ich hatte bisher noch keine Idee, wie ich <M> am Ende wieder abschließe, was also die Antithese dazu sein sollte :hmm:

    Danke Sensenbach für diese Lektion. Mir hilft das, glaube ich. :hmm: ^^

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Hey Sensenbach

    Ich finde deinen Kurs super und die vielen verschiedenen Anfänge waren auch sehr interessant. Leider finde momentan keine Zeit, mich da reinzuknien! Ich will es aber unbedingt mal ausprobieren. Vielleicht schaffe ich es zu einem späteren Zeitpunkt mal, mich einzuklinken.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Sensenbach: Ein sehr lehrreicher und nachvollziehbarer Thread. Danke dafür. :thumbsup:

    Ich hoffe, es gibt kein Problem damit, dass ich mir den Vierten Teil in meinen Arbeitsordner "Besser schreiben" kopiert habe. Dort sammle ich solche Zusammenfassungen und Erläuterungen zum zeitnahen Durcharbeiten.

  • Also von den MICE-Elementen habe ich noch nie gehört, klingt aber äußerst praktisch und nützlich, auch um sich darüber im klaren zu werden, was man eigentlich schreiben will.

    Da habe ich leider das "Pech" nur einen sehr kurzen Einstieg gemacht zu haben. Nun ich will es dennoch versuchen.

    Also ich würde sagen, dass bei meiner Variante es am ehesten in Richtung Event-Geschichte gehen würde. Der Drachenjäger, der noch eben im Kampf auf Leben und Tod mit einem Drachen war, wird jetzt mit dem Nachwuchs eben jenes Drachens konfrontiert. Er muss eine Lösung dafür finden, um wieder in den Alltagstrott eines Drachenjägers zurückkehren zu können.

    In dem Sinne könnte man auch "Inquiry" da hinein interpretieren, aber das mache ich jetzt mal nicht, denn das sind Spekulationen, die weit darüber hinausgehen, was ich geschrieben habe ^^

  • Da ich in meinem Anfang/Kurzgeschichte kaum auf das Setting oder das Innenleben der Figur/en eingehe, muss ich mich wohl zwischen "Inquiry" und "Event" entscheiden. :hmm: Einen Drachen zu töten, ist für den Jäger nicht neu - das spricht gegen "Event".

    Viel eher würde ich auf "Inquiry" tippen, weil die Geschichte doch eher von Fragen angetrieben wird. Am Ende bleiben ja sogar welche, obwohl die Hauptfrage beantwortet wird (Frage: "Warum beißt das Küken Urs nicht die Hand ab?" Antwort: "Weil Urs = Mama").

    Häupter auf meine Asche!

  • Ich...äh... hab kein Wort verstanden. Also, jetzt eigentlich... äh... Keine Ahnung, wie ich MICE in meiner Mini-Sequenz finden soll... I'm a loser... 8(

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Cory Thain

    Vielleicht hilft es, wenn ich es mal versuche. :hmm:

    Auf Umgebung und Innenleben der Figur wird gar nicht eingegangen - damit fallen "Milieu" und "Charakter" schon mal weg. :) Es kommt keine Bedrohung, die den Status Quo gefährdet, wie in Independence Day, denn der Drache ist ja schon tot. "Event" isses also nich.

    Viel eher werden Fragen aufgeworfen. Wenn die Dörfler in Bezug auf die Größe der Drachen schon Quark reden, wobei irren sie sich vielleicht noch? Deine Geschichte, Cory, hat bisher ein starkes "Inquiry"-Element. :)

    Häupter auf meine Asche!

  • Danke kalkwiese ! :friends:

    Würde mich diese Einordnung jetzt quasi dazu "zwingen", dieses Element weiter zu führen? Oder könnt ich übergangslos in ein andres schwenken. Nicht, dass ich wüßte, wie das ginge, aber so rein theoretisch?

    Ich könnte mir vorstellen, dass Magno jetzt beginnt, innerlich mit sich zu hadern, weil er sich schon wieder für Peanuts hat kaufen lassen (-> Char???)

    Oder ein noch größerer Drache kommt und Magno erkennt, dass er noch viel vor sich hat (-> Event???)

    :pardon:

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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Würde mich diese Einordnung jetzt quasi dazu "zwingen", dieses Element weiter zu führen? Oder könnt ich übergangslos in ein andres schwenken.

    Ich würde sagen, wenn es möglich war bei "Der Zauberer von Oz", dass alle vier MICE darin vorkamen, dann sollte das auch bei jeder anderen Geschichte möglich sein, mehrere der Elemente zu nehmen. Es ist also deine Wahl, was du daraus machst. Der Witz ist nur, dass du die gewählten Elemente dann auch durchhalten und auflösen musst.

    Glaube ich ...

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • dass du die gewählten Elemente dann auch durchhalten und auflösen musst.

    ... und schon wieder eine Möglichkeit, zu scheitern. Wenn ich diese Elemente, wieviele auch immer, im Text drinnen hab und es mir aber nicht bewußt ist, weil ich nicht strukturiert schreibe...

    ... MUSS man wirklich? Ist eine Geschichte automatisch Schrott, wenn man das so nicht tut?

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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Cory Thain

    Aber nein, es gibt viele großartige Geschichten, die am Ende noch lose Enden haben. :) Man muss natürlich darauf schauen, was für die Geschichte wirklich wichtig ist, um seine Idee vermitteln zu können. Die meisten werden sowas völlig instinktiv machen.

    Das ja eben nur ein Modell, um sich ein paar Dinge zu verdeutlichen. Werkzeuge sind nie Dogmen.

    Häupter auf meine Asche!

  • ... und schon wieder eine Möglichkeit, zu scheitern. Wenn ich diese Elemente, wieviele auch immer, im Text drinnen hab und es mir aber nicht bewußt ist, weil ich nicht strukturiert schreibe...

    Ich habe mir gerade auch überlegt, was für Elemente ich eigentlich in meiner mehrbändigen Serie benutze, denn ich kam bisher auch nicht auf die Idee, das zu klassifizieren. Für mich waren das immer "Themen", die vorkamen und mir war klar, dass jedes "Thema" eine Auflösung braucht, jedenfalls ganz sicher, wenn es häufiger auftaucht. Themen, die in der Luft hängen bleiben, sind unbefriedigend. Ob man die nun klassifiziert hat oder nicht?

    Aber ich denke, man findet sicher noch bessere Plots, wenn man sich bewusst ist, was man da tut.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Etiam  Der Wanderer  Asni  Rewa  kalkwiese  Kirisha  Iskaral  Rainbow

    Cory Thain  Eegon2

    Ihr könnt die Inhalte gerne für euren Gebrauch kopieren.

    Hallo allerseits,

    vielen Dank für die lebhafte Diskussion über die MICE Elemente. Ich denke, diese Elemente können eine gute Hilfe sein, die meisten Schriftsteller kommen aber sicher auch ohne die formale Kenntnis von MICE aus. Hemingway wusste von MICE sicher nichts. Trotzdem hat er sich dem Thema instinktiv oder über einen anderen Ansatz angenähert, da bin ich ziemlich sicher.

    Jetzt geht es mit einem interessanten Thema weiter, das nicht nur für Kurzgeschichten eine Rolle spielt.

    Fünfter Teil

    Der Held im Anfang, in der Mitte und im Ende

    Schön, dass ihr bis hierher durchgehalten habt. Jetzt möchte ich einige Worte über den oder die Protagonisten verlieren. Der Held oder die Heldin trägt die Geschichte. Der Leser wird sich mit dem Protagonisten identifizieren oder sich an ihm reiben. Die Ausarbeitung des Charakters des Protagonisten ist also besonders wichtig. Dies trifft doppelt zu, wenn der Charakter des Protagonisten im Verlauf der Geschichte eine Wandlung durchmachen soll. Einige Autoren erstellen daher Charakterblätter, auf denen sie alle äußeren und inneren Merkmale notieren. Das hat den Vorteil, dass man beim Schreiben Fehler bei der Beschreibung des Protagonisten vermeidet. Er sollte zum Beispiel die Augenfarbe nicht wechseln, oder einmal als groß und dann wieder als klein beschrieben werden.

    Aus meiner Sicht ist die Ausarbeitung des Charakters besonders wichtig. Die Art, wie ein Helden an die Dinge herangeht, hat einen großen Einfluss auf die Geschichte. In Spider Man startet Peter Parker als unsicherer Student, der heimlich in die Nachbarstochter verliebt ist. Während der Geschichte macht er die Wandlung zum selbstbewussten Helden durch. Bei Superman hingegen ist der Held bereits mit allen Merkmalen eines Helden gekennzeichnet. Spiderman-Geschichten und Superman-Geschichten sind also schon aufgrund ihrer Helden sehr unterschiedlich.

    Der Held / die Heldin

    Die Motivation des Helden

    Wer ist euer Held? Was hatte er für eine Kindheit? Was ist die Motivation des Helden? Was begehrt er am meisten und was ist seine größte Furcht?

    Schwächen des Helden

    Ein Held, der alles kann und alles weiß, ist langweilig. Welche Schwächen hat er?

    Macht euren Helden angreifbar. Stottert er? Hat er Angst vor Höhen?

    Der Antagonist

    Ein starker Antagonist ist so wichtig, wie ein starker Protagonist. Ein Antagonist muss aber nicht immer eine Person sein. Es kann auch ein Berg sein, den es zu erklimmen gilt, oder eine Angst, die überwunden werden muss.


    Der Held im Anfang der Geschichte

    Im Anfang macht der Protagonist sich das Problem zu eigen. Man könnte eine Geschichte auch vom Ende her erzählen, aber das ist ein Sonderfall. Im Anfang werden der Protagonist und das Setting eingeführt, sowie das Problem. Der Leser identifiziert sich im günstigen Fall mit dem Protagonisten.

    Es ist wichtig, dass sich der Held das Problem zu eigen macht, denn nur dann folgt ihm der Leser bereitwillig bei der Lösung des Problems. Bei Star Wars nimmt Luke sich dem Problem an, die beiden auf Tatooine gestrandeten Droiden vom Planeten zu schaffen. Er hätte auch auf Tatooine bleiben und die Wasserfarm weiter betreiben können. Er hatte die Wahl, aber er nimmt sich des Problems an. Kennt ihr weitere Beispiele?

    Der Held in der Mitte der Geschichte

    In der Mitte versucht der Held das Problem zu lösen. Dabei stellen sich ihm Hindernisse entgegen. Obwohl der Protagonist dazulernt scheitert er zunächst und das Problem wird größer, als anfangs erwartet. Die Möglichkeit des Scheiterns erscheint real. Dadurch steigert sich die Spannung. Vielleicht stellt er sich jetzt seiner größten Angst, oder muss sich mit seiner schlimmsten Schwäche auseinandersetzen.

    Der Wendepunkt: Bisher haben die Monster den Protagonisten gejagt. Der Held reagierte nur und hatte keinen rechten Plan. Nun dreht sich der Wind. Der Held hat sich weiterentwickelt und übernimmt die Initiative. Jetzt wird das Monster gejagt.

    Um beim Star War Beispiel zu bleiben. Hier ist der Moment ein Wendepunkt, in dem sich Luke entscheidet die Prinzessin zu retten.

    Der Held am Ende der Geschichte

    Zum Ende hin versucht der Protagonist erneut das Problem zu Lösen und ist diesmal erfolgreich … oder er scheitert!

    Mehr Drama? Um erfolgreich zu sein muss der Held sich mit dem auseinandersetzen, was er am Meisten fürchtet. Oder er muss etwas opfern, was er sehr begehrt. Der Sieg hat einen Preis!

    Validierung des Erfolges. Die Mühen haben sich gelohnt. Die Hochzeit wird gefeiert. Der junge Magier ist zum Meister gereift. Der Thron wird erklommen. Bei Star Wars werden im Thronraum die Medaillen verteilt.


    Hausaufgabe

    Nennt einen Wendepunkt aus einem Buch oder einem Film.

  • Als erstes fiele mir Der Herr der Ringe ein. Frodo muss sich gleich in mehreren Situationen zwischen dem entscheiden, was die Bürde des Ringträgers verlangt und dem, was für ihn eigentlich bequemer wäre.

    Wenn ich einen Wendepunkt aussuchen müsste, würde ich den wählen, als Frodo sich nach der Konfrontation mit Boromir an den Ufern des Anduins dazu entscheidet, allein weiterzuziehen. Er erkennt, dass seine Freunde ihn nicht schützen können und der Ring sie korrumpiert. Spätestens danach gibt es für ihn kein zurück mehr, kein entkommen vor seiner Aufgabe und er zieht los, diesmal ohne Hilfe oder Führung von Gandalf, Aragorn etc.

    Ich hätte noch ein Beispiel, wie man es anders angehen könnte (auch wenn es kaum auf Kurzgeschichten anwendbar ist)

    Ich liebe die Memory, Sorrow and Thorn-Reihe von Tad Williams (obwohl ich den den deutschen Titel nicht besonders mag ;) ) und hier ist es so, dass der Held der Geschichte, Simon, mehrmals in Situationen gerät, wo man als Leser erwarten würde:

    "Nun ist es soweit, jetzt überwindet er seine Ängste, steigt über sich selbst hinaus und entkommt irgendwie aus dieser Notlage"

    Nur um dann zu lesen, dass er sich doch nur wie ein normaler Mensch verhält. Also ängstlich, ohne Courage, ohne heroischen Moment, ohne Entscheidung, die er selbst treffen würde. Der Wandel passiert eher schleichend, Stückchen für Stückchen und Simon wird eher von Anderen immer weiter und weiter durch die Geschichte mitgezogen, über vier ellenlange Bücher hinweg. Erst ganz am Ende ist er durch zahlreiche Abenteuer, Gefahren und (wirklich entsetzlichen) Qualen, so sehr verändert, dass er seine Furcht bezwingen kann und als Held (auf seine Art und Weise) die Welt rettet.

  • Sensenbach

    Wirklich ein toller Kurs, den du hier gibst. Danke für deine Mühe und Arbeit!

    Hausaufgabe

    Da denke ich gleich an Hal Yarrow aus "Die Liebenden" von Philip José Farmer.

    Wenn auch in Gedanken aufsässig, so ist Hal doch gehorsamer Diener einer theokratischen Macht. Erst als er sich als Mitglied einer Eroberungsexpedition zum Planeten Ozagen in eine Außerirdische verliebt, fängt er an, gegen das System zu rebellieren. Doch er versagt in nahezu jeder Hinsicht.

    Hal ist Held und Versager zugleich. Er vermag nicht, die Indoktrination durch das absolutistische System, in dem er aufgewachsen ist, zu durchbrechen. Selbst den Kampf gegen seinen "Sept", eine Art Blockwart, gewinnt er nur durch Unterlassung. Dennoch wächst er weiter über sich hinaus, als er je geahnt hätte.

    Es sind die insektoiden Bewohner von Ozagen, die ihren Planeten und sich selbst retten. Sie vernichten die Eroberer von der Erde. Nur Hal wird verschont, doch ist er ein gebrochener Mann.

  • Ich lese gerade mal wieder "Der Schrecksenmeister" von Walter Moers. Protagonist ist die Kratze Echo, die mit dem Schrecksenmeister Eißpin einen Vertrag schließt, dass er die Kratze für einen Monat mästet und unterhält, danach darf er ihr die Kehle durchschneiden und ihr das Fett auskochen.

    Aus Spoilergründen versteckt. Klicken auf eigene Gefahr!

    Tja, Echo fühlt sich schnell wohl in Eißpins alchimistischem Schlaraffenland. Er hat gar keine Motivation zu fliehen und die Angst vor dem Tod wird immer wieder von Essen und Unterhaltung überdeckt. Echo freundet sich mit einem Schuhu auf dem Dach von Eißpins Schloss an. Dieser rät Echo zur Flucht, aber Fluchtversuche scheitern und Echo verliert wieder die Motivation und wird fett.

    Eines Tages bekommt Echo einen Geflügelbraten vorgesetzt, den er gedankenlos verschlingt. Seither kommt der Schuhu nicht mehr aufs Dach. Echo dämmert, dass er vielleicht seinen Freund ... Und von DA an tritt Echo von selbst in Aktion und arbeitet an seiner Flucht.

    Häupter auf meine Asche!