Hier werde ich ab und an ein paar Kurzgeschichten reinpacken (meistens über Gefühle und Eindrücke), deren Geschehen ich in der Großstadt Stanville spielen lassen werde, vorrangig um der Stadt mehr Charakter und Charme zu verleihen.
Liste der Kurzgeschichten
-Augenblicke-
Stanville: 20.12.2019
Mit einmal warst du da. Auf einer Bank sah ich dich sitzen, die Hände in den Seitentaschen deiner roten Daunenjacke vergraben. Was genau der Indikator war, wusste ich nicht, aber ich fixierte mich spontan auf dich. Weder Totenstille noch Großstadtlärm, die anderen Passanten oder sonstige Geschehnisse brachten mich davon ab, dich anzuschauen. Irgendwas Magisches veranlasste mich dazu, meine Augen auf dir ruhen zu lassen.
Winzige Details. Kleine Schneeflocken auf deiner königsblauen Jeans, die wie Sterne glitzerten. Deine Turnschuhe, die eindeutig nicht für dieses Winterwetter gemacht waren. Aber bestimmt war es deine völlige Absicht, diese zu tragen. Und im Endeffekt erlaubte ich mir nicht, diesbezüglich zu urteilen. Denn ich selbst besaß auch kein passendes Schuhwerk.
Dafür war dein Hals gut geschützt im grau nuancierten, grobmaschig gestrickten Schal eingewickelt, auf dem sanft dein blondes Haar ruhte. Dein bescheidenes Pony verdeckte nur schwer die in Denkfalten gelegte Stirn. Was ich aber überhaupt nicht schlimm fand. Im Gegenteil. Es brachte mich zur Annahme, dass du womöglich ein ebenso nachdenklicher Mensch warst wie ich.
Dein Aussehen war so ansprechend, dass meine Augen länger auf dir verweilen wollten. Wider allen Vermutungen, es könnte mich ein Lächeln oder Ähnliches zu dem veranlasst haben, war dein Gesicht von keiner solchen Mimik geprägt. Es wirkte neutral, vielleicht auch etwas nachdenklich melancholisch.
Allein deine fest aufeinander gepressten blassrosa Lippen, die unbedacht die ungesagte Ehrlichkeit wiedergaben, und die ruhigen Augen, die für mich heller strahlten, als die Sonne es jemals könnte, waren mir Grund genug. Jeder andere hätte darin nichts Besonderes gesehen, aber mich ließ dein wärmender Blick die Eiseskälte für einen Moment vergessen.
Kein Schmerz, kein Leid betrübte mich.
Doch Frust und Einsamkeit …
Das erdrückende Gefühl der Erkenntnis, dass ich dich niemals näher kennenlernen würde und mich dadurch umso mehr zu dir hingezogen fühlte.
Der herabfallende Schnee verwischte deine Gestalt. Zwanghaft versuchte ich, dein Gesicht besser erkennen zu können. Schon allein deshalb wünschte ich mir, dir näher zu sein. Und sei es nur ein Hauch gewesen. Ein einziger Schritt.
Für andere mochte es keine erkennbare Hürde darstellen, sich einfach zu erheben und auf dich zuzugehen. Es schien so einfach, so simpel.
Aber für mich blieb es ein unüberwindbares Hindernis.
Weniger Schnee fiel hinab, die Sicht klarte auf und die durch die Wolken brechende Sonne nahm mir die Trägheit aus den Augen. Folglich konnte ich dich besser erkennen. Was es für mich umso schwerer machte, dir zu widerstehen.
Offenbar veranlasste dieses Ereignis auch dich zu einer neuen, unerwarteten Aktion. Dein Blick schwenkte zu mir um.
Mein Herz begann zu rasen. Der plötzliche Schweißausbruch und Unsicherheit trieben mich in die Verzweiflung und ließen mich schnell kapitulieren. Stechende Angst lastete auf mir, schnürte mir die Kehle zu.
In Panik versetzt ließ ich meine Augen nur an dir vorbeiziehen, als würde ich etwas hinter dir fokussieren. Ich war zu schwach, auch nur einen längeren Blick zu wagen, geschweige denn dich direkt anzusehen. In jene smaragdgrünen Augen, eines jenen makellosen Gesichtes, das mich von erster Sekunde an in den Bann gezogen hatte.
Doch so schnell du zu mir starrtest, so schnell starrtest du auch wieder auf den Boden vor dir.
Es verstrich kaum Zeit, da wagte ich wieder einen Blick auf dich.
Gefangen im Wechselspiel zwischen Selbsthass und Unersättlichkeit war ich auf der Suche nach einem Makel, der mich dich hoffentlich vergessen lassen würde und zugleich nach einem neuen Detail, das mein aktuelles Empfinden untermauern sollte.
Doch ich erlag schnell dem Drang nach seelischer Befriedigung. Meine größte Schwäche, die stetige Sehnsucht nach Glückseligkeit. Auf Kosten der inneren Ruhe und Balance.
Du warst wie eine Droge. Ich wurde süchtig nach dir.
Es war dieser von Schicksal erfüllte Moment, noch kürzer als ein einzelner Wimpernschlag, und dennoch tief in Gedanken Äonen verstreichen ließ.
Ganze Geschichten baute ich darauf auf, komponierte Symphonien und schuf gigantische Bilder in bunter Farbenpracht.
Wie sollte ich wissen, ob du mich überhaupt wahrgenommen hattest. Wirkte ich bestimmt so unbedeutend auf dich wie ein herabfallender Wassertropfen des Eiszapfens am Geländer neben dir. Und er selbst schon so irrelevant, dass sogar die große Schneeflocke auf der Haarsträhnenspitze, die dir in jenem Moment ins Gesicht gerutscht war, noch mehr Wichtigkeit besaß. Vielleicht trug allein sie mit ihrem geringen Gewicht dazu bei, dass eben genau dies passierte. Was dich weiterführend dazu veranlasste, sie mit einem Fingerwisch wieder aus dem Gesicht zu streifen.
Aber meinen Zweck in dieser Gleichung konnte ich nicht erkennen.
Du warst vermutlich der exakte Gegenpol zu mir.
Gerade, als ich endlich meine Ängste überwinden konnte und meine Beine mich zu dir tragen wollten, standest du auf und gingst fort.
Und ich blieb zurück. Ich bekam einen Rückfall und verkroch mich wieder in mein Innerstes.
Wie jedes Mal war ich zu langsam im Leben. Wie jedes Mal war ich zu ängstlich.
Und auch dieses Mal schaute ich meinem Glück bedauernd hinterher und verurteilte mich für meine Feigheit.
Für mich warst du es, das eine Besondere ...